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Der Neptunbrunnen und das Rotes Rathaus im Abendlicht in Berlin-Mitte.

© imago/blickwinkel

CDU und SPD stellen Koalitionsvertrag vor: Schwarz-Rot ist zum Erfolg verdammt – wie gut für Berlin!

Die Verhandlungen verliefen überraschend geräuschlos. Nun präsentiert die neue Berliner Regierung ihre Pläne für die Hauptstadt, sie können eine Chance sein.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Ein Bündnis aus CDU und SPD taugt kaum für große Zukunftserzählungen. Und doch trägt diese Koalition eine Chance für Berlin in sich, wenn am Montag der Koalitionsvertrag vorgestellt wird: Beide Parteien sind in den nächsten drei Jahren aufs Gelingen verpflichtet – aus reinem Selbsterhaltungstrieb.

Aus der letzten, pannengeplagten Auflage von Schwarz-Rot von 2011 bis 2016 gingen CDU und SPD stark geschwächt und mit gegenseitigem Misstrauen hervor. Will die SPD sich in Berlin nicht endgültig zugrunde richten, sollen die kommenden Jahre aus Sicht der beiden Parteien nicht zu einem Konjunkturprogramm für die Grünen werden, muss es vor allem in drei zentralen Bereichen rasch vorangehen: Verwaltung, Wohnungsbau, Verkehrswende.

Das Problem: Das Wesen von Koalitionen aus SPD und CDU ist nicht das Revolutionieren, sondern das Moderieren. Miteinander statt Gegeneinander. Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD) wiederholen das schon jetzt mantraartig. Regieren solche Bündnisse zu lange, kann es zu einem Reformstau kommen, wie die Jahre der Großen Koalition im Bund zeigen.

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In Berlin ist die Ausgangslage eine andere. In sechs Jahren unter Rot-Rot-Grün hat man sich kaum zurückgehalten mit Gesetzen: Es gibt ein umfassendes Mobilitätsgesetz, das erste Landesantidiskriminierungsgesetz Deutschlands, man hat es mit noch weitreichenderen (und letztlich irregulären) gesetzlichen Maßnahmen wie dem Mietendeckel versucht. Eine Expertenkommission sitzt – das ist sogar europaweit einmalig – an einem Enteignungsgesetz. Berlin hat in vielen Bereichen kein Regelungsdefizit, sondern ein Umsetzungsproblem.

Ausgerechnet in den zentralen Bereichen Wohnen und Verkehr waren die bisherigen Partner aber an ein Ende des Miteinanders gekommen: In der Wohnungsfrage blockierte das Ringen um den Enteignungsvolksentscheid andere Ansätze und vergiftete die Stimmung – in der Politik und bei den Bauherren. Die Einigung auf Neubauzahlen existierte nur noch auf dem Papier. In der Praxis wurden Bauprojekte von Linken und Grünen im Parlament verzögert, das Bauen durch immer neue Auflagen erschwert.

Schwarz-Rot ist nicht auf lange Sicht angelegt

Andersherum war es im Verkehrsbereich: Hier gönnte besonders die SPD den Grünen keinen Zentimeter mehr Gestaltungsraum als notwendig. Die Verkehrswende wurde als unsozial hingestellt, Finanzierungsmodelle wie die Citymaut waren andererseits nicht einmal diskutabel, um dringend notwendige höhere Parkgebühren wurde ewig gerungen. Die einen wollten Straßenbahnen bauen, die anderen lieber U-Bahnen. Aus dem progressiven Bündnis war eine Koalition des Stillstands geworden.

Man kann einwenden: Reichen Argumente gegen eine alte Koalition als Argumente für eine neue? In diesem Fall: vielleicht. Denn Schwarz-Rot ist nicht auf lange Sicht angelegt. Schon in drei Jahren wird wieder gewählt. Die SPD will dann lieber wieder selbst ins Rote Rathaus, die CDU-Führung sieht auch mittelfristig Chancen für Schwarz-Grün.

Entscheidend für die Frage, ob Kai Wegner als guter Regierender Bürgermeister in Erinnerung bleibt oder als kurzzeitiger Profiteur einer Protestwahl in die Geschichte eingeht, wird sein, ob Berlin in drei Jahren besser funktioniert als heute. Ob die Stadt bis dahin sauberer wird, die Verwaltung besser aufgestellt wirkt und digitalisiert wird.

Langfristig wird man die Koalition auch an den Erfolgen bei der Verkehrswende messen. Andere Metropolen wie Paris, Madrid oder London organisieren den Verkehr in diesem Jahrzehnt neu.

Auch in Berlin wird die Floskel vom „Miteinander statt Gegeneinander“ nicht ausreichen, um vorhandene Konflikte aufzulösen. Die im März vorgestellte U-Bahn-Vision der BVG hat gezeigt, wie man Berlin als Metropole denken kann.

Ein US-amerikanisches Sprichwort lautet „Only Nixon could go to China“. Es bedeutet: Erst alte Gegner von Reformen haben letztlich die Kraft, sie umzusetzen. Es wäre wohl die einzige Chance für Schwarz-Rot, sich des Stempels der „Rückschrittskoalition“ im progressiven Teil der Stadtgesellschaft zu entledigen – und langfristig auch die Innenstadt von sich zu überzeugen.

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