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Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (Mitte) nahm beim CDU-Grundsatzkonvent teil, um Impulse aus der Zivilgesellschaft zu geben.

© dpa/Michael Kappeler

Rassistisch und homophob? : Bei Claudia Pechsteins Rede lohnt ein genauerer Blick

Sie trug eine Uniform der Bundespolizei beim CDU-Grundsatzkonvent, ist aber zur Neutralität verpflichtet. Der Eisschnellläuferin werden auch Rassismus und Homophobie vorgeworfen. Zu Recht?

Ein Kommentar von Malte Lehming

Ihr Tonfall ist monoton. Sie verhaspelt sich, ist aufgeregt oder unkonzentriert, wahrscheinlich beides. Entsprechend spärlich fällt der Beifall aus. Brillant also war der Auftritt von Claudia Pechstein am Samstag in Berlin auf einem Grundsatzkonvent der CDU keineswegs.

Rein stilistisch gesehen war die Rede der Eisschnellläuferin und jahrzehntelangen Bundespolizistin das Gegenteil von „brillant“. Mit solchen Begriffen mag CDU-Chef Friedrich Merz sich und der Öffentlichkeit die Sache schönreden wollen. Aber wer Augen und Ohren hat, weiß, dass das nicht stimmt.

Doch eine rein stilistische Betrachtung verfehlt den Kern der Sache. Die Sportlerin, kein CDU-Mitglied, trug bei ihrer Rede eine Uniform der Bundespolizei. Sie sagt, sie habe zuvor einen Vorgesetzten und einen Gewerkschaftsvertreter gefragt, ob das in Ordnung sei. Beamte unterliegen einer Neutralitätspflicht. Dagegen hat sie offenbar verstoßen. Pechsteins Verteidiger verbreiten Fotos von Polizisten in Uniform, die mit einer Regenbogenflagge posieren. Das soll suggerieren: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Doch auch die Uniform-Debatte lenkt ab. Viele Kritiker der Rede Pechsteins zeigen auf ihre Uniform, meinen aber die Ansichten der Person, die sie trägt. Rassistisch und homophob seien diese Ansichten gewesen, heißt es. Die CDU führe einen Kulturkampf, biedere sich bei Wählern der AfD an. Da lohnt ein genauerer Blick.

Für schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber

Vorwurf Rassismus: Hauptsächlich plädiert Pechstein für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports. Das ist ihr Anliegen. Sie mahnt allerdings auch schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel „ohne ängstliche Blicke“ nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders ältere Menschen und Frauen belasteten.

Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger bei Straftaten betrug im vergangenen Jahr, laut polizeilicher Kriminalstatistik, 37,4 Prozent. Dafür gibt es Gründe, die in einer verfehlten und unterfinanzierten Integrationspolitik liegen können. Es lässt sich aus dieser Zahl aber auch die Notwendigkeit schnellerer Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber ableiten.

Nicht nur die FDP, immerhin Mitglied der Regierung, fordert seit langem, „stärkere Kontrollen der irregulären Migration und schnellere Abschiebungen“. Wer diese Forderung bereits als rassistisch charakterisiert, tabuisiert einen Teil der Asyl-, Migrations- und Integrationsdebatte.

Vorwurf Homophobie. Pechstein spricht sich für ein heteronormatives Familienbild aus. Kinder wollten „Mama und Papa“, sagt sie. Nun ist das Thema „Ehe für alle“ seit sechs Jahren definitiv durch. Auch Unions-Abgeordnete verteidigen deren Einführung. Ein Zurück gibt’s nicht mehr. Wenn in konservativen Kreisen trotzdem ein Gestern beschworen wird, dient das allenfalls der Reaktivierung nostalgischer Gefühle.

„Ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf“

Vorwurf Kulturkampf. Verbesserungen in den von ihr genannten Bereichen, sagt Pechstein, seien wichtiger, „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“. Mit anderen Worten: Es gibt Wichtigeres als den Kulturkampf.

Allerdings ist der rhetorische Trick etwas perfide: Die Themen des Kulturkampfes gesetzt zu haben, wird dem politischen Gegner angelastet. In der Konsequenz soll das heißen: Wir wehren uns nur.

Pechsteins Rede war nicht frei von Demagogie. Aber zu glauben, dass Themen, die Menschen bewegen, verschwinden, wenn nicht über sie gesprochen wird, ist naiv. Bei den Öffentlich-Rechtlichen haben sie gemerkt, was passiert, wenn plötzlich gegendert wird. Das führte bei vielen Zuschauern zu einem mittleren Beben.

Einschneidender noch waren die Erfahrungen mit dem Flüchtlingsthema. Seitdem müsste klar sein: Es muss und darf gestritten werden, auch mit harten Bandagen. Den Gegner charakterlich anzugreifen, sollte freilich verpönt sein. Es geht einzig und allein um das bessere Argument.

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