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Kultur: Wie im richtigen Leben

Lenné-Gesamtschüler mit „Lanzelot“ im Obelisk

Was ist Toleranz wirklich? Wenn auch nach dem letzten Klingeln auf dem Schulhof gekokst werden kann. Was Gesellschaftskunde? Wenn man „die alte Szene“, einst freudige „Opfer soziologischer Experimente“, im „Heider“ Milchkaffee schlürfen sieht. Solche kecken Sprüche hörte man am Dienstag zur Premiere des neuen Kabarettprogramms „www.lanzelot.de“ im „Obelisk“ mehr als genug.

Nachdem die Schüler der Lenné-Gesamtschule im Vorjahr schon mit „TIWIE echt krass“ echt cool aufgefallen waren, stellten sie nun ihr Kabarett-Märchen vom Drachentöter Lanzelot (Alexander Manukow) und seiner weiblichen Gegenspielerin Alma Ma(r)ter in Gestalt von Juliane Döbbel auf dieser Profi-Bühne vor. Buch und Regie stammen von Helmut Fensch, das zumeist junge Publikum wohl vom Humboldt-Ring, eine ideale Kulisse für die sieben lebendigen Spieler.

Im Zentrum und auf silbernem Thron agiert Alma, das alles beherrschende „Bildungsmonster“, welches sogar die eigenwillige Motivia (Jessica Gomoll) in seine Gewalt brachte. Lanzelot, ein Ritter mit blutigem Schwert und hehren Worten, ist wild entschlossen, sie zu befreien, natürlich in Liebe, von der man allerdings nicht viel bemerkt. Aber Alma stellt eine Bedingung: Der Held soll fünf Unterschriften sammeln, damit dieser Kampf überhaupt stattfinden kann. Bis es soweit ist, arrangiert der Autor auf einer zweiten Ebene mannigfaltige Szenen aus dem täglichen Leben, damit erkennbar wird, was die jungen Leute bewegt oder stört. Natürlich steht er auf ihrer Seite, wenn er sein hellwaches Team über das krampfadrige, psychelose Publikum lamentieren lässt, der DNS sämtliche Schuld an den Problemen der Jugend zuschiebt und eine Praktikantin vom gestandenen Lehrerkollegium geradewegs zu Boden redet, zumal hier der Schüler Kowalski an allem Schuld sei: Der braucht immer eine Fünf, „damit er weiß, wo es langgeht“. Tolle Sache, flink gemacht, genauso überzeugend wie die Kiffer-Szene, daraus ein einträglicher Plan zum Verbinden der Welt „in Christo“ erwächst, oder nur „für den kleinen Kratzer zwischendurch“. Frisch, frech, fröhlich, jung, wird so aus einer alten Legende knallharte Realität, wobei der Mitspielfaktor Publikum ganz bedeutend war. Jubel, Beifall und Blumen nach dem abendfüllenden Programm – verdient.

War aber Motivia als unmittelbare Antagonistin des Drachen regietechnisch etwas unterbelichtet, so zeigten dessen Adlaten, wie jedes System seine treuen Helfer findet: Laster-Luzie (Franziska Kuhlmey) verführte auftragsgemäß den Helden, Lautina (Nicol Kroggel) übte vorauseilenden Gehorsam, Schmierfink (Daniel Hasert) lancierte passende Storys in seine „Schild-Zeitung“, wenn er nicht gerade unter dem Tische spannte. Auch Chaosia (Antje Gruber) unterstützte alles, was den angeblich freien Geist verkümmern lässt. So gut nun das Buch zum Spiel geschrieben war, so unklar regierte zuweilen die Regie: Warum lässt man Lanzelot seine Unterschriften in der Pause sammeln, wenn die halbe Zuschauerschaft längst draußen ist, warum darf Alma (man traute ihr glatt den Macky Messer zu) nicht einmal Angst vor ihrem Töter zeigen? Soweit kommt es nicht, nach geheuchelter Reue bleibt ihr der dritte Kopf erhalten, dem Land somit „ein neuer Mensch in seiner alten Stellung“, genau wie im richtigen Leben.Gerold Paul

Nächste Vorstellung 11.6., 17 Uhr

Gerold Paul

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