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Kultur: Was machen wir heute?: Im Keim ersticken

Da wir uns sowieso mitten in der Fastenzeit befinden, sich die ganze Familie mehr oder weniger kasteit und die allgemeine Laune mäßig ist, können wir bei dieser Gelegenheit hier auch mal ein unangenehmes Thema abhandeln: Fremdes Leben in der Wohnung. Dabei geht es keineswegs um Haustiere.

Da wir uns sowieso mitten in der Fastenzeit befinden, sich die ganze Familie mehr oder weniger kasteit und die allgemeine Laune mäßig ist, können wir bei dieser Gelegenheit hier auch mal ein unangenehmes Thema abhandeln: Fremdes Leben in der Wohnung. Dabei geht es keineswegs um Haustiere. Den Wunsch nach Meerschweinchen, gar einem Hund oder auch nur einem Fisch haben meine Frau und ich bei allen unseren Kindern im Keim erstickt. Jedesmal, wenn eines von ihnen schüchtern anfragt, ob wir nicht vielleicht eine süße, kleine Katze kaufen könnten, fragen wir nur sardonisch lächelnd zurück: Ja schmeckt die denn auch, mein Kind?

Nein, es geht hier um andere Lebewesen, solche, die noch mehr Platz wegnehmen als Tiere, die jedoch von allen in der Familie - außer von mir - gern gehabt und jeden Morgen von acht liebenden Augen begrüßt werden. Jede kleinste Veränderung an ihnen führt zu erregten Diskussionen über das Für und Wider, Wohl und Wehe, Schau und Guck. Es geht um folgende Biester: die schwarzäugige Susanne, das Männertreu, das Löwenmäulchen sowie um die ordinäre Tomate.

Immer im Märzen, wenn auch der Bauer die Rösslein einspannt, sät meine Frau quadratmeterweise Blumen- und Pflanzensamen in spezielle Anzuchterde, die wiederum in riesigen, parzellierten Plastikschalen untergebracht wird. Erst stehen sie nur auf den Fensterbänken. Dann werden sie größer und bedecken den Schreibtisch. Spätestens nach einigen Wochen erobern sich diese Keime familiärer Zwietracht den Wohnzimmertisch, um eines Tages im Handstreich den Klodeckel zu besetzen. Spätestens dann werde ich ein klein wenig ärgerlich, frage bitter, warum man das Zeug nicht im ausgewachsenen Zustand kaufen und direkt auf den Balkon stellen kann wie jeder normale Großstadtmensch. Zur Antwort bekommen ich vierfaches, ungläubiges Kopfschütteln.

Anfang April nähert sich dann der Abend, da ich müde von harter Arbeit nach Hause komme und gern ins Bett möchte, aber sie sind schon da: Männertreu auf der Decke, und die schwarzäugige Susanne blinzelt frech von meinem eigenen Kopfkissen. Wütend will ich dann das ganze Gestrüpp in den Biomüll schmeißen. Aber die Kinder gucken mich mit ihren großen Augen an, als wollten sie sagen: "Mörder, Mörder!" Da bleibt mir nur noch, den Schlafsack zu nehmen und mir eine gemütliche Badewanne zu suchen. Wenn ich Glück habe, ist die noch frei. Meistens habe ich kein Glück und lande in der Vorratskammer. Da stehen nie Keimlinge, weil sie da drinnen kein Tageslicht bekommen. Aber ich, ich bin ja ein Nachtschattengewächs. Und so schrumpft unsere große Wohnung für mich auf zwei lumpige Quadratmeter herunter.

Meine Frau hat gesagt, ich solle schreiben, dass man jetzt dringend die Löwenmäulchen aussäen soll, am besten zusammen mit den Kindern, weil die dann eine Beziehung zur Natur aufbauen und so. Na gut, aber ich habe Sie gewarnt.

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