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Kultur: Uran-Geschosse: Kampf zwischen Hase und Igel Nato-Sprecher

Die Nato hat den Krieg im Kosovo gewonnen. Verliert sie jetzt, fast zwei Jahre später, den Krieg der Informationen?

Die Nato hat den Krieg im Kosovo gewonnen. Verliert sie jetzt, fast zwei Jahre später, den Krieg der Informationen? Das Massaker von Racak, angeblich der Anlass des Kosovo-Krieges, sei eine Erfindung der Nato, behaupten die Kriegsgegner von einst. Scheibchenweise komme jetzt die Wahrheit ans Licht, heißt es da: Die kriegslüsterne Nato habe unter dem Diktat Washingtons den Krieg gegen die Serben mutwillig vom Zaun gebrochen. Sie habe zudem hochgiftige, mit Plutonium verunreinigte Uranmunition verschossen, die heute noch der Zivilbevölkerung wie den Nato-Soldaten Krankheit und Tod bringe. Um den Krieg zu rechtfertigen und die Fakten zu vertuschen, habe die Allianz die Öffentlichkeit mit gezielter Desinformation getäuscht.

Nato-Sprecher Jamie Shea, der zur Zeit der Luftangriffe auf allen Fernsehschirmen präsent war, zog im Krieg um die Informationen, der zwischen Brüssel und Belgrad entbrannt war, vielfach den Kürzeren. Konfrontiert mit immer neuen Bildern von Kriegsopfern aus Belgrad, mit Video-Bändern, die offensichtlich von verschiedenen Orten zusammengeschnitten waren, konnte er oft keine verlässliche Antwort auf die kritischen Fragen der Brüsseler Berichterstatter geben. Die geradezu detektivischen Nachforschungen des Brüsseler Hauptquartiers bei den Nato-Streitkräften - wer flog wann welchen Einsatz mit welchen Ergebnissen? - dauert oft Tage. Der Informationsfluss zwischen dem eventuell gefundenen Piloten, den Einsatzleitzentralen, den Stäben und der Zentrale in Brüssel war zu lang. Der Oxford-Absolvent Shea flüchtete sich allzuoft in Flapsigkeit und Ironie - was gerade in Deutschland, wo angelsächsische Ironie selten oder nicht verstanden wird, vielfach als schockierender Zynismus ausgelegt wurde.

Doch wie dem Sprecher des Nato-Generalsekretärs Jamie Shea ging es bei den täglichen Pressekonferenzen auch den militärischen Nato-Sprechern, die wie der deutsche Luftwaffengeneral Walter Jertz in rascher Folge ausgetauscht wurden. Zu oft bleiben sie die Antwort schuldig. Zu oft war das bloße Bild die Botschaft - und die lieferte der Gegner in Belgrad. Gegenüber den von Milosevic in die westlichen Medien gestreuten Schreckensbildern von Bombenopfern, angeblichen Flüchtlingskonvois, die von Nato-Raketen getroffen waren, gegenüber der geschickt geweckten Emotion konnten die Nato-Sprecher mit Nüchternheit und vorsichtigen Worten oft nichts ausrichten.

Jamie Shea und seine wechselnden militärischen Kollegen begriffen damals, dass die Nato den Informationsfluss verbessern musste. Doch bis zum Ende des Krieges ging es dem Nato-Sprecher oft so wie dem Hasen mit dem Igel: Wenn es der Belgrader Propagandamaschinerie gelungen war, ihre Produkte in den westlichen Medien zu platzieren und die Schreckensbilder tagelang über die Bildschirme geflimmert waren, kamen sie in der Regel zu spät.

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