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Große Show: Die Volksbühne wird zur Revue.

© Marcus Lieberenz/bildbuehne.de

Sofas, Songs und lange Messer : Constanza Macras in der Volksbühne

Revue am Rosa-Luxemburg-Platz: Mit großer Treppe und kämpferischen Tänzen verbreitet die Choreographin Constanza Macras gute Laune.

Shakespeare zum Beispiel. Der traditionelle Teil des Themas wird nur kurz abgehandelt. Die Performer gehen mit langen Messern aufeinander los, fallen theatralisch. Ruckelnde, zuckelnde Spielfiguren, unschwer als Macbeth, Hamlet, Romeo Julia zu erkennen. So weit die Eingangsszene. Constanza Macras kommt am Ende darauf zurück, mit einer mauligen Zusammenfassung der „Antigone“. Griechische Tragödie? Heute mal nicht.

Mord und Totschlag in der Familie, blutiger Machtkampf, Götterfluch und Schicksalsschläge? In diesem Augenblick hat das wenig zu sagen. Noch immer im Post-Pandemie-Modus, verspüren die Choreographin und ihre Truppe Dorky Park das unwiderstehliche Bedürfnis, Party zu machen.

Verdrängung tut auch gut

Das neue Stück heißt „Drama“: Es wird mit Lust verdrängt. Nicht die Geschichte, sondern die Show steht im Mittelpunkt. Auch wenn nachher noch dramaturgisch gendermäßig aufgerüstet werden muss mit der Klage, dass Frauen in diesen Tragödien immer nur der Suizid und bleibt und den Männern der noble Heldentod.

Muss der Friedrichstadtpalast zittern? Die Volksbühne wird mehr und mehr zum Revuetheater. Das zeigt sich in den brutalen Kreationen der Florentina Holzinger. Auch Constanza Macras liebt das Zirzensische, aber spielerischer. Was beide Künstlerinnen verbindet, ist die Beherrschung der großen Szene. Das hilft dem Haus.

Immer mal wieder war die Volksbühne als Spielort für Tanz und Tanztheater im Gespräch gewesen. Auch wenn es nur eine Momentaufnahme sein kann, aber die alte Idee gewinnt an Attraktivität, seit René Pollesch die Intendanz übernommen hat und die Choreographinnen die Ansagen machen. „Faust“ übrigens erledigen die Macras-Matadore nebenbei in einer Slapstick-Nummer.

Die Energie der zehn Tänzerinnen und Tänzer wirkt enorm. Wie ein Antidepressivum in diesem Winter, der in Berlin ja so gut wie immer ein Winter des Missvergnügens ist. Wozu die Theater auch beitragen, wenn sie immerzu ins Dunkle, Grüblerische gehen. Selbstbezogen gibt sich „Drama von Dorky Park durchaus, aber eben kämpferisch. Es wird erzählt vom Tänzeralltag hinter der Bühne, von Ausbeutung und Pech und Suchtproblemen, wie bei „A Chorus Line“. Der eine und die andere hier hat Musicalerfahrung, und das spürt man.

Mutanten aus Playmobil

Großer Bühnenaufbau mit Showtreppe, die sich in eine glatte Rutschbahn verwandeln kann. Das ist dramatisch genug. Menschen mutieren zu Playmobil-Spielzeug. Menschlicher Kontakt wird zur Farce. Die Aufmerksamkeitsspanne dauert einen Wimpernschlag. Sex ist eine Streckübung auf dem Sofa. Davon gibt es viele. Billige, zerknautschte Sofas, auf denen man eigentlich nicht sitzen kann und die ein seltsames Eigenleben führen.

Wenn Sitzen zum Sport wird, dann ist Tanzen ein Kampf. Kampfsport. Sie kämpfen um Aufmerksamkeit, doch die Konstellationen ändern sich so schnell, dass es nicht schmerzt. Hinter Federboas und Rüschen und allerlei verrücktem Showplunder versteckt, macht man sich hier scheinbar unverletzlich.

Etwas abrupt erfolgt ein Schwenk in das Buenos Aires der 1920er Jahre und seine Showstars, eine Anspielung auf die babylonische Zeit in Berlin. Da zeigt sich dieses „Drama“ merkwürdig nostalgisch. Und dann folgen allzu viele Schlüsse. Zwei Stunden und fünfzehn Minuten, das zieht sich. Aber dieses Stück macht keine schlechte Laune. Und das ist viel.

Drama wird allerdings nicht komplett gestrichen. Die wahren Dramen liegen wohl in hymnenartigen Pop-Songs. „This is the Life“, „What If God Was One of Us“ und vor allem „Torn“ schmettern die Solistinnen mit Inbrunst. Im Publikum singt keiner laut mit, aber viele würden wohl gern. Wie fröhlich-unschuldig klingen diese Hits aus einer anderen Zeit. Man wacht am nächsten Morgen mit Ohrwürmern auf. Und mit einer Sehnsucht nach Sophokles.

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