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Marco Goecke, ehemaliger  Ballettdirektor der Staatsoper Hannover, 2019 im Foyer des Hauses.

© dpa/Christophe Gateau

Von Skandal-Choreograf Marco Goecke: Keine Premiere für das Stück „Petruschka“ in Berlin?

Marco Goecke wurde als Ballettchef in Hannover gefeuert, nachdem er eine Kritikerin mit Hundekot attackiert hatte. Nun wackelt seine Premiere am Berliner Staatsballett.

Von Sandra Luzina

Es war ein Eklat, wie ihn die Ballettwelt noch nicht erlebt hat: Hannovers Ballettdirektor Marco Goecke hatte am 11. Februar am Rand der Premiere von „Glaube Liebe Hoffnung“ der FAZ-Kritikerin Wiebke Hüster Hundekot ins Gesicht geschmiert. Selbst die „New York Times“ berichtete über die Attacke. Und gegen Goecke wird inzwischen wegen des Verdachts auf Körperverletzung und Beleidigung ermittelt.

Seinen Posten in Hannover hatte Goecke fünf Tage nach dem Vorfall verloren. Es sei eine Trennung „in beidseitigem Einvernehmen“ gewesen, so Intendantin Laura Berman. Der 50-Jährige war bis zu seinem Ausraster ein äußert gefragter Choreograf, der für viele größere Ballettcompagnien Stücke kreierte. Doch nun stellt sich die Frage, ob man Goecke weiter beschäftigen, ob man seine Werke weiterhin zeigen soll.

Eine Frage, die auch das Staatsballett Berlin betrifft. Für den 10. Juni war die Premiere von „Petruschka“ geplant. Goeckes Choreografie entstand 2016 für das Ballett Zürich; in Berlin sollte sie als Auftakt eines Igor-Strawinsky-Ballettabends gezeigt werden. Im Spielplan des Staatsballetts werden die insgesamt fünf Vorstellungen von „Petruschka“ immer noch angekündigt. Doch ob die Premiere wirklich stattfindet, ist unklar.

Diskussion mit dem Ensemble

Die kommissarische Intendantin Christiane Theobald hat für kommenden Dienstag eine Vollversammlung einberufen: Sie will mit dem Ensemble diskutieren, ob das Stück aufgeführt werden soll. Eine Sprecherin verwies darauf, dass das Ergebnis offen sei. Denkbar sei die Streichung oder aber, dass „Petruschka“ ohne Goeckes Mitarbeit auf die Bühne kommt.

Daraus spricht vor allem Ratlosigkeit. Es verwundert, dass die Leitung des Staatsballetts sich nicht zu einer internen Klärung durchringen konnte. Mit den Tänzerinnen und Tänzern darüber zu diskutieren, mag wichtig sein. Aber die Entscheidung, ob Goecke für das Staatsballett noch tragbar ist, muss die Chefetage treffen. Christian Spuck, der designierte Intendant des Staatsballett, ist schon auf dem Weg nach Berlin. Ab 20. März wird er die Proben zu „Messa di Requiem“ leiten, die Premiere findet am 14. April statt.

Es ist bekannt, dass die kommissarische Intendantin Christiane Theobald schon länger keine Entscheidung ohne Spuck trifft. Warum haben die beiden sich bis heute nicht positioniert? Andere Compagnien und Häuser haben das längst getan.

Das Nederlands Dans Theater (NDT) verkündete am 25. Februar, dass es die Zusammenarbeit mit Goecke – er ist seit 2013 „Associate Choreographer“ – aussetzen werde. Zuvor hatten rund 50 Theater- und Tanzkritiker das NDT in einem offenen Brief kritisiert und ein deutliches Bekenntnis für die Pressefreiheit gefordert. Goeckes Werke aus dem Repertoire sollen aber weiterhin aufgeführt werden.

Auch das Nationaltheater Mannheim (NTM) hat Konsequenzen aus der Affäre gezogen. Die als dreiteiliger Abend geplante Premiere „Young Lovers“ wird ohne das Werk „Woke up blind“ von Goecke stattfinden. „Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir auf sein Stück verzichten und wieder zur Ruhe finden, um unsere eigentliche Arbeit zu schützen und leisten zu können“, sagte Tanz-Indendant Stephan Thoss.

Weiter spielen in München

Das Bayerische Staatsballett hält dagegen an Werken des umstrittenen Choreografen fest. Das Stück „Sweet Bones’ Melody“ aus dem Ballettabend „Passagen“ wird weiter gespielt, und „All Long Dem Day“ soll wie geplant im Juni im Rahmen einer von Goecke kuratierten Reihe aufgeführt werden.

Auch in Zürich, noch Wirkungsstätte von Christian Spuck, hat die Attacke auf die Kritikerin vorerst keine Konsequenzen. Ende Februar wurde bei der Wiederaufnahme eines dreiteiligen Ballettabends auch Goeckes Werk „Almost Blue“ gespielt. Eine Neuproduktion mit Marco Goecke stehe derzeit jedoch nicht an, so das Züricher Opernhaus.

Langsam zeigt sich, welche Dimensionen der Fall Goecke annimmt. Das Berliner Staatsballett möchte sich aber anscheinend ein Hintertürchen offen halten. Nur so ist der Vorschlag zu verstehen, dass auch eine Assistentin Goeckes „Petruschka“ einstudieren könne. Solches Rumlavieren schadet der Truppe. Jetzt ist klare Haltung gefragt.

Man muss die Werke von Goecke nicht auf ewig von der Bühne verbannen. Aber das Staatsballett Berlin steckt gerade in einer schwierigen Übergangsphase. Es kann sich keinen Sturm der Entrüstung leisten und es will seine Tänzerinnen und Tänzer schützen.

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