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Konzert-Rezension: Hüftwackelnde Roboter

Noch bis zum 6. August präsentiert das Berliner Musikfestival popdeurope spannende Sounds aus ganz Europa. Am 30. Juli boten „Señor Coconut and his Orchestra” in der arena eine interessante Mischung aus Kraftwerk und Tito Puente.

"Die Tropenwelt für Sie, liebe Landsleute ... Die Tropen im Tropicana! In the marvelous production of our Rodney the Great ... in der grandiosen, wunderbaren Produktion unseres großen Roderico Neyra!"

(Guillermo Cabrera Infante, Drei traurige Tiger)

Berlin liegt in den Tropen, zumindest an diesem Samstagabend. "Señor Coconut and his Orchestra" lassen in der Arena den Schweiß von der Decke tropfen. Statt des großen Roderico Neyra produziert der noch viel größere Uwe Schmidt. Der "Maestro", wie ihn sein Orchester gerne nennt, steht hinter seinem Powerbook und verzieht keine Miene. Neben ihm tobt die Band, klöppelt Marimba und Vibraphone, heizt dem Publikum mit wilden Zurufen ein. Schmidt bleibt cool, hat alles unter Kontrolle. Die Band spielt "The Robots" von Kraftwerk als Cha-Cha-Cha.

Die Anfänge

Die Idee, teutonischen Experimental-Elektro mit südamerikanischen Rhythmen zu paaren, hatte Uwe Schmidt schon Anfang der 90er. Damals lebte Schmidt noch in Frankfurt und veröffentlichte elektronische Alben unter Pseudonymen wie "Atom Heart", "Dandy Jack" und "Lassigue Bendthaus". Aus reiner Neugier kombinierte er dann einmal Kraftwerk mit Cha-Cha-Cha und Merengue. 1997 übersiedelte Schmidt nach Chile, im Jahr 2000 erschien das Album "El Baile Alemán" mit zehn Cover-Versionen von Kraftwerk-Hits. Mit sechs dänischen Musikern und einem venezolanischen Sänger ging Schmidt fortan als "Señor Coconut and his Orchestra" auf Tour.

Dass die Musik auf mehreren Ebenen funktioniert, ließ sich in der Arena gut beobachten: Vor der Bühne tummeln sich Techno-Jünger neben gesitteten Mittdreißigern, denen "Señor Coconut" angestaubte Tanzschulschritte entlockt. Sänger Argenis Brito aus Venezuela pflegt ein herrlich gebrochenes Englisch und eine grenzenlose Unterwürfigkeit gegenüber dem stoischen "Maestro Uwe Smit". Die Dänen schwitzen in ihren Sakkos und geben alles.

Durch den Merengue-Wolf

Das augenzwinkernde Vermengen deutscher und lateinamerikanischer Klischees macht aber nur dann richtig Spaß, wenn das musikalische Ergebnis stimmt. Bei den Kraftwerk-Coverversionen ist das der Fall, nicht aber bei einigen Songs, die von der Platte "Fiesta Songs" (2003) stammen. Michael Jacksons "Beat It" wird durch den Merengue-Wolf gedreht und wirkt einfach nur noch albern, das Gleiche gilt für den Doors-Klassiker "Riders on the Storm". "Smooth Operator" funktioniert ganz gut, ist aber zu nahe am Original dran, um noch originell zu wirken. Einen ähnlich gelungenen Verfremdungseffekt wie bei den Kraftwerk-Covern erzielt Uwe Schmidt nur bei "Smoke on the Water". Es sieht fast so aus, als wäre er mit seinem Amerika-Latein am Ende. Als Tanzmusik funktioniert "Señor Coconut" aber immer noch.

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