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Frauen für die Luftbrücke. Der Flughafen Tegel wurde 1948 in drei Monaten neu errichtet. Der Anteil weiblicher Arbeitskräfte lag bei 40 Prozent.

© Landesarchiv Berlin, F rep 290 (02) Nr. 0255831

Open-Air-Ausstellung zur Luftbrücke: Die erste Schlacht im Kalten Krieg

Vor 75 Jahren begann die Berliner Blockade. Eine Open-Air-Ausstellung am ehemaligen Flughafen Tempelhof erinnert an das Drama der Luftbrücke, das bis heute die Berliner Identität prägt.

Von Andreas Austilat

Es war kurz vor Weihnachten, als die beiden Polizisten an der Wohnungstür klingelten. Sie brachten eine schlechte Nachricht. Michael war während einer Stromsperre in einem Neuköllner Krankenhaus gestorben.

Wahrscheinlich ist er erstickt, jedenfalls fand die Krankenschwester ihn tot, als das Licht wieder anging. Er wurde gerade mal ein Jahr alt. Das war im Dezember 1948, Neukölln lag in West-Berlin und seit einem halben Jahr waren die meisten Verkehrswege dorthin versperrt.

Würde Michael heute noch leben, er wäre 76 und mein ältester Bruder, lange vor mir zur Welt gekommen. So ist er eine dunkle, kaum noch erinnerte Episode der Familiengeschichte, die meine Mutter, damals 23, über Jahrzehnte in sich verschlossen hatte. Wie die Berliner Blockade mit dem Tod der meisten in jenen Jahren bereits erwachsenen Zeitzeugen in Vergessenheit geraten ist.

Die Blockade 75 Jahre nach dem Beginn am 24. Juni 1948 in Erinnerung zu rufen, ist das Ziel von drei Berliner Museen. „Blockierte Sieger - Geteiltes Berlin. 75 Jahre Luftbrücke“ ist die Open-Air-Schau überschrieben, die vom Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow, dem Alliierten Museum in Zehlendorf und dem Museum Berlin-Karlshorst organisiert wird.

Allen dreien ist gemeinsam, dass sie mit ihren Einrichtungen eher am Rand der Stadt residieren. Der Schauplatz jetzt ist zentral, direkt vor der Abflughalle des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof. Vier offene Pavillons wurden dort errichtet, an ihren Außenseiten hängen Schautafeln und historische Fotos, sind Text und Videodokumente abrufbar.

Risse unter den Allierten

Natürlich spielt Michael dort keine Rolle, obwohl, er war kein Einzelfall, ab Oktober 1948 stieg die Sterblichkeit unter Säuglingen und Kleinkindern in West-Berlin deutlich an. Die Ausstellung nimmt das große Ganze in den Blick, thematisiert im ersten Pavillon die Vorgeschichte, als das Bündnis gegen Nazideutschland gleich nach dem Sieg Risse bekommt. Manche nennen die Luftbrücke dann auch die erste Schlacht im Kalten Krieg. Tatsächlich war der Einsatz vor allem von Briten und US-Amerikanern an Mensch und Material beeindruckend, mit dem sie an ihrer Position in West-Berlin festhielten.

Auf dem Höhepunkt der Operation landeten 1400 Maschinen binnen 24 Stunden in Berlin. Der Luftweg war als einziger unkontrollierter Zugang in die Halbstadt verblieben. Angefangen hatte alles im Juni 1948, als die Stromleitungen nach West-Berlin ebenso unterbrochen wurden, wie Straßen und Wasserwege.

Der erste Lastwagen für West-Berlin. Ende der Blockade am 12. Mai 1949, hier der Übergang Helmstedt-Marienborn.
Der erste Lastwagen für West-Berlin. Ende der Blockade am 12. Mai 1949, hier der Übergang Helmstedt-Marienborn.

© Alliiertenmuseum/Slg Provan

Hermetisch abgeriegelt war die Stadt nie. Es gab Schmuggelwege, noch waren die Bindungen der Berliner untereinander eng, egal, in welcher Stadthälfte sie wohnten. Und wer bereit war, sich in Ost-Berlin registrieren zu lassen, bekam dort Lebensmittelmarken. Wenige taten es.

Straßenbäume fielen stattdessen als begehrtes Heizmaterial, ein Bild zeigt eine Reihe Parkbänke, von denen nur noch die eisernen Skelette übrig sind, die hölzernen Sitzflächen aber verschwunden. So sieht also eine echte Mangellage aus. 65 Prozent der Luftfracht während der Blockade entfiel auf Kohle, damals der Energieträger Nummer eins. Lebensmittel kamen nur in Pulverform oder als Trockenfrüchte, nie frisch. Das erklärt den Namen Rosinenbomber, der sich in der Überlieferung festgesetzt hat. Mehr als zehn Monate währte die Blockade, am 12. Mai 1949 wurde sie aufgehoben.

Tagesspiegel-Reporter in Haft

Ein weiterer Pavillon erzählt von der sich abzeichnenden politischen Spaltung. Wie arg die ausfiel, dazu hätte der Tagesspiegel etwas beisteuern können. Wolfgang Hanßke, damals 20 Jahre alter Rathausreporter dieses Blattes, wurde im Ost-Berliner Stadthaus verhaftet und saß sieben Jahre in einem sowjetischen Lager.

Ob die Währungsreform ursächlich für die Blockade war, kann die Ausstellung nicht beantworten. Tatsächlich ist augenfällig: Die Einführung der D-Mark in Westdeutschland erfolgte am 20. Juni 1948, die Reaktion mit der improvisierten Ost-Mark kam am 23. Juni, die Übernahme der D-Mark in West-Berlin am 24. Juni 1948.

Zwei Währungen in einer Stadt konnten nicht funktionieren. Doch Störungen im Transitverkehr gab es schon vorher, Versuche diese durch die sogenannte kleine Luftbrücke zu umgehen auch. Wahrscheinlich aber ist, dass die Sowjets die West-Alliierten zum Abzug drängen wollten. Zu unüberbrückbar waren die Gegensätze inzwischen.

Vier Pavillons sind nicht viele, um der Komplexität der Auseinandersetzung gerecht zu werden. Ein wenig verwundert da, dass die Texttafel zur Potsdamer Konferenz doppelt zu lesen ist. Nun, die Ausstellung war am Dienstag noch im Aufbau, vielleicht wird das korrigiert.

Der kleinste ist der vierte Pavillon, der so etwas wie ein Resümee darstellt. Die Blockade war so etwas wie die Geburt des West-Berliners, das Überstehen aller Schwierigkeiten geeignet, Identität zu stiften, deren Nachhall manchmal bis heute spürbar ist. In der DDR war das Scheitern der Blockade logischerweise kein Anlass für Erinnerungen. Und so bekam die Spaltung der Stadt mit der Luftbrücke und nicht erst mit dem Mauerbau 13 Jahre später scharfe Konturen.

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