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Pablo Picasso und Françoise Gilot. Szene aus dem Film „La vie commence demain“ (Das Leben beginnt morgen).

© IMAGO/glasshouseimages/JT Vintage / Glasshouse Images via www.imago-images.de

Mit Haut und Haaren: Picassos Frauen kommen zu Wort

Die Journalistin Rose-Maria Gropp hat ein ungewöhnliches Buch über Picasso und die Frauen geschrieben. Sie stellt es bei Grisebach vor.

Es war Erpressung, wenn auch der feineren Art. Fernande Olivier brauchte dringend Geld und schrieb die intimen Erinnerungen an ihren Geliebten auf. Dessen soziales Umfeld reagierte sofort: Madame Braque alarmierte Picasso, eine Veröffentlichung stünde bevor. Er half mit einer Million Franc aus und bewahrte Olivier vor einem Alter in Armut.

Das Manuskript verschwand darauf im Koffer. Erst drei Jahrzehnte später entdeckte es ihr Erbe und veröffentlichte es 1988 unter dem Titel „Souvenirs intimes“.

Intime Erinnerungen

Picasso lebte da schon lange nicht mehr. Andernfalls hätte er wohl Himmel wie Hölle in Bewegung gesetzt, um ein Erscheinen zu verhindern. Die Sicht auf sein Leben sollte allein aus Picassos Perspektive erfolgen. Kontrolle, ein Stück weit auch Unterwerfung – dies deuten Oliviers Notizen an – zählten zu den Konstanten im Leben der Legende. Und natürlich ist an der Bedeutung des Ausnahmekünstlers auch 50 Jahre nach seinem Tod nicht zu rütteln; wohl aber an der weiterhin eindimensionalen Darstellung jener Frauen, die ihn bis zu seinem Tod im Frühjahr 1973 bedingungslos begleiteten.

„Göttinnen und Fußabstreifer“

Die Journalistin Rose-Maria Gropp hat im Picasso-Jubiläumsjahr eine andere Biografie verfasst. Ihr Buch „Göttinnen und Fußabstreifer“ macht ein Zitat von Françoise Gilot zum Titel – jener Partnerin, die tatsächlich zu spüren bekam, mit welchem Furor der Künstler jede(n) verfolgte, der sich eine eigene Sicht auf ihn erlaubte.

Gilots Memoiren von 1965 ließ er juristisch ahnden, den ihm verbundenen Galeristen verbot er, ihre Gemälde auszustellen. Dass die weit jüngere Frau ihn 1953 nach einem Jahrzehnt teils inniger, teils abgründiger Beziehung verließ, die beiden gemeinsamen Kinder mitnahm und dann noch einen Bestseller schrieb, muss ihn rasend vor Wut gemacht haben.

Gilot nämlich verließ das „System Picasso“, das Rose-Maria Gropp in ihrem neuen Buch anhand der Biografie von elf Ehefrauen respektive Affären erzählt, als Einzige auf eigene Initiative. Alle anderen katapultierte der Künstler nach seinem Ermessen aus seinem persönlichen Universum.

Gropps spannende Dekonstruktion des „Mythos Picasso“ wechselt die Blickrichtung. Jeweils ein Kapitel widmet sie einer der weiblichen Biografien. Die Begegnung mit Picasso ist darin bloß ein – wenn auch einschneidendes – Ereignis. Denn der Künstler nutzt jede Frau für seine Zwecke. Er beutet sie künstlerisch, sexuell und sozial aus.

Die Temperatur der Beziehungen ist in seinem Werk ablesbar: Picasso dekonstruiert Gesichter und Körper der Porträts umso stärker, je mehr seine Gefühle erkalten. Mit dem Ende der Liebe verschwinden die Frauen aus fast allen Picasso-Biografien. Nicht so bei Rose-Maria Gropp.

Sie erzählt die Leben, soweit recherchierbar, bis zum Ende. Und stellt dabei auch eine neue These auf: Wer wie Gilot aus einem großbürgerlichen Elternhaus kam, verkraftete den Verlust weit besser als Frauen aus einfachen Verhältnissen. Wie Fernande Olivier, die sich mit Haut und Haaren auf Picasso einließ und anschließend in jeder Hinsicht nackt dastand.

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