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Kultur: Mit der Revolte kam das Ende

Eine Ausstellung würdigt die Gruppe Geflecht

In einer Zeit, in der sich Künstler in Kirchenfenstern verewigen und den Wert ihrer Arbeit direkt am Kunstmarkt ablesen, wirken die Ideen des Situationismus ziemlich vorgestrig: die Vereinigung von Kunst und Leben, die Generierung gesellschaftlicher Utopien aus künstlerischem Schaffen. Welche Sprengkraft das damals hatte, zeigte sich 1966 in der Empörung, die eine Ausstellung der Gruppe Geflecht in der Berliner Akademie der Künste entfachte.

Hervorgegangen aus den avantgardistischen Gruppen SPUR und WIR, arbeitete das aus München stammende Kollektiv, darunter Lothar Fischer, HP Zimmer, Helmut Rieger, Heino Naujoks und Hans Matthäus Bachmayer, an der Sprengung hierarchischer Bildgestaltung und herkömmlicher Gestaltungsprinzipien. Ihr Werk war dabei nicht nur Gemeinschaftsarbeit, sondern gleich ein ganzer Lebensentwurf. In Teams entwarfen die Künstler gemeinsam ihre „Antiobjekte“, Hybride aus Gemälde, Skulptur und Plastik. Quietschbunt bemalte Holzleisten und Pappstreifen wölben sich aus der Leinwand und verflechten sich zu wilden, verrückten Verbindungen. Die Suche nach anarchischen, ideologiefreien Ordnungsprinzipien stand im Vordergrund; ob das Ergebnis dann am Ende schön aussah oder nicht, war dabei absolut zweitrangig.

Die Geflecht-Ausstellung in der Galerie Parterre zeigt neben den Antiobjekten auch Arbeiten, die ihnen vorausgegangen waren: nach Prinzipien der Montage und Schichtung entstandene Bilder, die von der Abarbeitung an der als oberflächlich empfundenen Pop Art zeugen.

Die Ausstellung eröffnet die Reihe „Aus der Traum?“, die nach politischen Utopien in der Kunst der letzten vierzig Jahre fragt. 1968 zerbrach die Gruppe an der Diskussion, ob man im Zuge der Studentenbewegung das Gruppenkonzept ausweiten und den künstlerischen Impetus verstärkt in politischen Protest und politische Aktionen ummünzen sollte. Auf diese konkrete politische Herausforderung antworteten die Mitglieder dann aber nicht mehr mit Kunst – sie gingen auf die Straße. Kolja Reichert

Galerie Parterre, Danziger Straße 101, bis 13. Januar, 14 bis 20 Uhr.

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