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Bildschirmfoto des Laptops von Michel Majerus (PowerBook G3).

© Aufgenommen von Cory Arcangel, November 2024 © Michel Majerus Estate, 2024

Michel Majerus’ Laptop: Künstler bringt den Computer des früh verstorbenen Malers wieder zum Laufen

„Let’s Play Majerus“: Medienkünstler Cory Arcangel reaktiviert das Powerbook der Malerlegende. Und zeigt seine Nachlassforschung auf YouTube.

Es ist eine intime Angelegenheit, eine Aufgabe, die Fingerspitzengefühl verlangt; und nicht zuletzt einen Experten, der weiß, wie man ein Macintosh Powerbook 3G aus den Neunzigern wieder zum Laufen bringt.

22 Jahre ist es her, dass der Künstler, Maler, Digitalpionier Michel Majerus bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Seither ist sein Werk zwar intensiv erforscht und archiviert, zu seinem 20 Todestag auch intensiv gezeigt worden. Michel Majerus Laptop aber, sein wichtigstes Arbeitsgerät, sein digitales Atelier, ist seit seinem Tod unberührt.

Als der US-amerikanische Künstler Cory Arcangel, Majerus-Fan, bei einem Besuch im Berliner Majerus Estate erfuhr, dass der Laptop noch existiert, war die Idee geboren, das schwer beschädigte Gerät instand zu setzen und zu reaktivieren. Als Experten holte er den Datenrestaurierungsexperten Dragan Espenschied von der New Yorker NGO Rhizome ins Boot. Espenschied hat das Gerät in einer sogenannten Emulation hochgefahren. Ein höchst komplexer Vorgang. Und ein Meilenstein der Nachlassforschung. Der Umgang mit digitalen Hinterlassenschaften wird künftig zum Standard werden.

Die Disketten von Andy Warhol

Arcangel hat für diese verantwortungsvolle Aufgabe die allerbesten Referenzen. 2014 griff er mit Unterstützung des Carnegie Mellon University Computer Club auf über 30 Jahre alte Disketten von Andy Warhol zu und konnte zeigen, wie der Pop-Art-Pionier mit dem Commodore Amiga 2000 herumexperimentiert hat.

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Wie sich also einem fremden Computer nähern? Wie einen Überblick gewinnen über Ordnerstrukturen, Dateien, Software, Videos und Bild-Archive? Arcangel erzählte bei seiner Ausstellungs-Preview im Majerus Estate, dass er in seinem Studio im norwegischen Stavanger jeden Morgen als erstes in Majerus‘ Laptop herumklickte, wochenlang. Er wühlte sich durch die Dateien auf dem Desktop, versuchte, einen Überblick zu bekommen, machte sich Mindmaps.

Den ganzen Vorgang kann man in mehreren Episoden auf YouTube verfolgen. Arcangel filmte sich bei der Arbeit mit Majerus‘ Laptop, so wie man es von Gamern kennt, die mittels Screencasts ihr eigenes Spiel kommentieren. Arcangel erklärt in den Videos, wie er vorging, was digitale Malerei ist, wie Majerus das Powerbook nutzte. Er sei fasziniert vom „Let’s Player“-Format der Gamer, es gäbe entsprechende Video-Formate aber kaum im Bereich der bildenden Kunst, sagt Arcangel. Neuland also, vielleicht der Beginn eines Trends?

Cory Arcangel hat im Berliner Majerus Estate außerdem eine sehr schöne Ausstellung konzipiert, in der er eigene Arbeiten mit einer Auswahl von Majerus‘ Arbeiten kombiniert. Beide Künstler verbindet, dass sie sich für die Ästhetik von Videospielen, Computerwelten, Werbung und Popkultur interessieren und sie mit Kunstgeschichte verbinden. Beide navigieren lässig zwischen analogen und digitalen Welten. Für Arcangel, Jahrgang 1978, ist das schon eher selbstverständlich. Für Majerus, der zehn Jahre früher damit begann, ist es Pionierarbeit. Photoshop und andere Bild- und Videobearbeitungsprogramme nutzten Ende der 1990er Jahre nur Designprofis.

Arcangel arbeitet mit einer Vielzahl an Medien wie Video, Print, Mode, Performance und Komposition, er beschäftigt sich außerdem viel mit Archiven und zeitgebundenen Technologien. In Berlin zeigt er die Plattensammlung eines Trance-DJs, die er erworben und nach wissenschaftlichen Standards archivieren ließ. Von Majerus ist unter anderem die Installation „Lettin‘ off as much as you can“ von 1997 zu sehen. Sie besteht aus einem coolen Fila-Turnschuh, einer abstrakten Malerei und einer CD. Kunstgeschichte, Medientechnologie und Mode – das ganze Majerus-Universum in einem Werk.

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