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Im HR-“Tatort“ passiert viel Abgefahrenes, aber dass Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) Hessisch spricht, ist noch nicht passiert.

© dpa / Bettina Müller/HR/ARD/dpa

Künftige Koalition in Hessen will Genderverbot: Für Protest und neues Nachdenken ist es keineswegs zu spät

In Behörden, Schulen, Universitäten und im Hessischen Rundfunk soll das Verwenden von Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich untersagt werden.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Es gibt ja diesen Gassenhauer der Rodgau Monotones: „Erbarmen - zu spät. Die Hesse komme.“ Und dann die „Tatorte“ des Hessischen Rundfunks mit dem schrägen Ermittler Murot, wo kein Zuschauer mehr weiß, wo oben und unten ist.

Gendern im Koalitionsvertrag

Weil das aber alles nicht reicht, gehen die künftigen Koalitionäre von CDU und SPD auch ans Gendern ran. Schon im Koalitionsvertrag soll verhandelt werden, was später Gesetzeskraft erhalten soll. „Wir bekennen uns zum Leitbild des mündigen Bürgers“, heißt es in einem gemeinsamen Eckpunkte-Papier der beiden Parteien.

„Gleichzeitig werden wir festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt“.

Schluss mit Genderstern, Gendergap, Doppelpunkt, Unterstrich, in Hessen soll gendergerechte Sprache dadurch hergestellt werden, dass auf wesentliche Mittel dazu verzichtet werden muss. Der DJV-Landesverband Hessen erregt sich schon über ein kommendes Genderverbot im Hessischen Rundfunk, über „eine ungeheuerliche politische Einflussnahme“. Zur Rundfunkfreiheit gehöre auch das Recht, „sich sprachliche Gestaltungsmöglichkeiten nicht nehmen zu lassen!“

Na ja, die Hessinnen und Hessen (ist eine solche Formulierung künftig noch erlaubt?) werden immer noch verstehen, was der HR aussendet, da muss der Journalistenverband nicht gleich in Schockstarre verfallen.

Es ist etwas anderes, was Besorgnis hervorrufen kann. Muss eine Regierung, muss ein Gesetzgeber vorschreiben, welche Sprache, welche gendergerechte Sprache benutzt werden soll? In Behörden, Schulen, Universitäten, beim Rundfunk?

Wir bekennen uns zum Leitbild des mündigen Bürgers

Eckpunktepapier von CDU und SPD in Hessen

Wahr ist, dass eine Mehrheit in Deutschland und damit wohl auch in Hessen gegen das Gendern eingestellt ist. Wer diese Meinung teilt, kann auf breiten Zuspruch setzen. Und weil CDU und SPD auch genau darauf setzen, machen sie Gendern zum Thema. Sie wollen Applaus - und werden ihn sehr wahrscheinlich bekommen. Könnte man populistisch nennen, andererseits wird einer Mehrheitsmeinung gefolgt.

Und doch bleibt die Frage, ob das Ziel einer gendergerechten Sprache damit aus dem Auge verloren geht. Müssen CDU und SPD vorschreiben, wie in Institutionen, die dem staatlichen Einfluss unterliegen, geschrieben und gesprochen wird? Sie übersehen, dass Gendern ein Menschenrecht ist, dessen Wahrnehmung nicht nach Parteiprogrammen erfolgen kann.

Das Thema ist zu groß, zu individuell, buchstäblichen Sinne zu divers für eine vereinfachte und damit dekretierte Lösung. „Erbarmen - zu spät. Die Hesse komme.“ Nein, es ist nicht zu spät. Die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD werden erst noch beginnen. Da ist es für Protest und neues Nachdenken keineswegs zu spät.

Ob die schwarz-roten Hessen nicht besser ans Hessische rangehen sollten? Ein Satz wie „willsde aa uff die Breddzel?“ ist und bleibt im Vergleich mit gendergerechter Sprache eine echte Herausforderung. Anders gesagt: unverständlich.

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