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Ruhrgebiet: Kohle & Kultur

2010 soll das Revier zeigen, wie sich eine Proleten- in eine Poetenregion verwandeln lässt. Ein Ruhrgebietsseufzer von Frederik Hanssen

In zwei Jahren will das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas sein. 2010 soll das Revier zeigen, wie sich eine Proleten- in eine Poetenregion verwandeln lässt. Mit der von Gerard Mortier angeschobenen Ruhrtriennale existiert hier ein Festival, das Kritiker-Sternfahrten auslösen kann, wie jetzt mit Christoph Schlingensiefs großer Lebensbeichte im Landschaftspark Duisburg- Nord. Aber auch wenn der Pott punktuell kocht, so bleibt er doch ein disparates Gebilde, eine Ansammlung egomanischer Gemeinden, die vor allem auf den Glanz des eigenen Kirchturms bedacht sind. Kaum hatte Dortmund sich ein Konzerthaus geleistet, wollte man auch in Essen eines haben. Dann zog Duisburg nach, und inzwischen ist auch in Bochum der Bau einer Halle für die örtlichen Symphoniker beschlossen.

Eines scheint den Stadtvätern allerdings nicht klar zu sein: Dass diese Investitionen auch nach dem medienspektakulären Eröffnungsrummel weiterhin Kosten verursachen. Ulrich Andreas Vogt startete 2002 ambitioniert das Konzerthaus Dortmund – und wurde 2005 von den Lokalpolitikern weggeekelt. Frank Castorf flog nach nur einer Saison als Chef der Ruhrfestspiele Recklinghausen raus. Und nun hat es am Montag Michael Kaufmann erwischt: Der Chef der Essener Philharmonie wurde fristlos gekündigt, weil er eigenmächtig seinen Etat überzogen habe. Wer Kaufmann kennt, mag sich das bei dem gewissenhaften Kulturmanager schwer vorstellen. Andererseits war sein exquisiter Frankreich- Schwerpunkt 2007/08 sicher nicht billig. Aber er wurde vom Deutschen Musikverleger-Verband als „Bestes Konzertprogramm der Saison“ ausgezeichnet. Bis 2010 wird man sich im Ruhrgebiet mit einem Gedanken noch anfreunden müssen: Wer sich an Spitzenkultur wärmen will, muss Kohle in die Hand nehmen.

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