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Aktivist:innen der Gruppe „Dernière Renovation“ (Letzte Renovation).

© picture alliance / abaca/Poitout Florian

Klima-Aktivisten erstürmen den Louvre: Robin-Hood-Romantik gegen das schlechte Gewissen

Institutionen und Städte müssen sich auf Farbangriffe einstellen, Farbe ist schließlich überall zur Hand. Der Protest ist billig zu haben, aber was bewirkt er?

Von Bernhard Schulz

Die Farbattacke auf das Brandenburger Tor beschäftigt Berliner Gemüter auch weiterhin. Mit einer gewissen Erleichterung wurde jetzt die Nachricht aufgenommen, dass die Farbflecken womöglich doch beseitigt werden können, ohne auf Dauer hässliche Spuren zu hinterlassen.

Da waren die international agierenden Klimaaktivisten indessen schon weiter. In Paris machte sich eine Gruppe auf, um den Louvre zu einem weiteren Ziel ihres Protests zu machen. Einem Fassadenkletterer gelang es, die Pyramide im Innenhof des weitläufigen Museums zu ersteigen, gerade so, wie es Reinigungskräfte regelmäßig tun, um die Scheiben zu putzen. Nur dass dem Aktivisten-Kletterer nicht nach klarer Sicht der Sinn stand, sondern im Gegenteil nach deren Übertünchung mit orangeroter Farbe.

Bauten und Monumente lassen sich schwer schützen

Die Pariser Polizei, in metropolitanen Konflikten erprobt, bereitete dem Treiben ein schnelles Ende. Doch der Farbfleck war erst einmal da, war sichtbar und wurde in den Medien verbreitet. Gleichzeitig wurde vermeldet, dass der Besuchsbetrieb – die Pyramide birgt den Zugang zum unterirdischen Foyer des Louvre – ungehindert weitergegangen sei. Sollte das beruhigen?

Was einmal geschah, kann immer wieder geschehen – auf diese resignative Formel müssen sich Städte und Institutionen einstellen. Farbe ist überall zur Hand. Und Bauten, Monumente und Kultureinrichtungen lassen sich kaum und schon gar nicht in ihrer Gesamtheit vor Farbattacken schützen. Brandenburger Tor und Louvre-Pyramide stehen zudem für weltweite Sichtbarkeit, das macht sie zu idealen Zielen.

Ohne Worte kommt die Botschaft an

Das Bild ihrer Verfärbung genügt, um ohne Worte die Botschaft der Angreifer zu transportieren. Und zugleich sind es Objekte, deren mediale Präsenz besonders auf einen bestimmten Teil der Gesellschaft zielt, nennen wir ihn „bildungsbürgerlich“. Es sind diejenigen, denen nationale Monumente wie das Tor in Berlin und Kultureinrichtungen wie das Museum in Paris etwas bedeuten, sogar viel bedeuten, und die unter den Beschädigungen persönlich leiden.

150
Urteile gegen Aktivist:innen der Letzten Generation gab es bislang beim zuständigen Amtsgericht Tiergarten.

Und die zugleich das schlechte Gewissen besitzen, das bei Menschen in den westlichen Gesellschaften angesichts der Umweltzerstörung ankommt, die nicht einfach „geschieht“, sondern an der wir alle Mitverantwortung tragen. Ironischerweise nicht zuletzt jene, die sich auf die Reise machen, um besagte Örtlichkeiten aufzusuchen.

Noch ist der Farb-Protest vergleichsweise risikolos und hat eher etwas von Robin-Hood-Romantik. Da sind welche, die tun etwas, während wir, die große Masse, allenfalls lamentieren und ansonsten in unseren Gewohnheiten fortfahren. Das ist das Dilemma: Adressaten der Attacken sind am ehesten jene, die ohnehin zu Änderungen ihres Verhaltens bereit sind. Gerade sie bedürfen des Anstoßes durch brachiale Aktionen am wenigsten.

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