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Der bildende Künstler, Maler und Plakatkünstler Edmund Edel

© picture alliance/Ullstein Bild

Hauptsache, den Stil bewahren: Edmund Edels Roman „Der Snob“

Eine schöne Wiederentdeckung: Edmund Edels „Der Snob“ eröffnet ein erstaunlich heutig wirkendes Panorama der Berliner Hautevolee um 1900.

Von Tobias Schwartz

„Zuerst wurde die Welt erschaffen, dann ganz selbstverständlich die Snobs“, heißt es in William Makepeace Thackerays berühmtem „Buch der Snobs“ von 1848. Das Buch machte diesen modernen Typus populär – zunächst in England und bald auch in Deutschland.

Was genau ein Snob ist, lässt sich allerdings gar nicht so genau sagen. Thackeray brauchte ein ganzes Buch mit einem Umfang von rund vierhundert Seiten, um diese Spezies näher zu charakterisieren.

Seither bevölkert sie nicht nur die „angesagten“ Cafés, Klubs oder Restaurants der Metropolen, sondern flaniert auch als Figur durch zahllose Werke der Literatur, man denke an George Duroy, den Helden von Maupassants „Bel Ami“, an Thomas Manns Hochstapler Felix Krull oder an Vertreter zeitgenössischer Popliteratur.

Aufsteiger und Simulant

Zu wesentlichen Erkennungsmerkmalen des Snobs zählen Oberflächlichkeit, Effekthascherei, Arroganz und Unverbindlichkeit, auch eine gewisse Gefühlskälte. Gleichzeitig umweht ihn die Aura des Vornehmen, Eleganten und Weltgewandten, ihm wird ein ausgeprägter Sinn für Ästhetik nachgesagt.

Mit diesen Ambivalenzen befinden wir uns inmitten der Welt des deutsch-jüdischen Karikaturisten, Plakatkünstlers und späteren Stummfilmregisseurs Edmund Edel. Er wurde 1863 im pommerschen Stolp geboren, wuchs in Charlottenburg auf und starb 1934 in Berlin. Zuvor wurde er im „Völkischen Beobachter“ als „Salonsemit“ und „Edel-Jude“ beschimpft, seine Werke hatte man als „obszön-dekadente Zeichnerei und Schreiberei“ geschmäht.

1906, als Edel längst ein bekannter Illustrator und Grafiker war, sorgte er mit „Berlin W.“ für Furore, einem Buch mit dem programmatischen Untertitel „Ein paar Kapitel von der Oberfläche“. Darin nimmt Edel ironisch die neureiche Gesellschaft des Berliner Westens rund um den Kurfürstendamm aufs Korn. Der Titel seines im Jahr darauf folgenden Debütromans „Der Snob“, der sich wie ein Spin-off zu „Berlin W.“ liest und jetzt im Rahmen einer Werkausgabe in Einzelbänden neu erschienen ist, kommt also nicht von ungefähr.

Großer soziologischer Wert

Asfa Wossen-Asserate, Autor des Buches „Manieren“, spricht dem Snob wahre Eleganz und Geistesaristokratie ab: Er ist mehr Schein als Sein. Und das hat mit seiner Herkunft zu tun. Der Snob entstammt einfachen Verhältnissen, ist ein Aufsteiger und simuliert nur die Zugehörigkeit zur „besseren Gesellschaft“ – wie etwa Theobald Maske, Hauptfigur in Carl Sternheims Komödie „Der Snob“ von 1914.

Willy Lehmann, Edels Protagonist, ist ein geradezu idealtypischer Snob: Als Spross einer Charlottenburger Gärtnerfamilie verachtet er seine Herkunft, bewohnt eine luxuriöse Wohnung am Kurfürstendamm, wenn er nicht gerade in St. Moritz oder Monte Carlo residiert, und verkehrt in der Berliner Hautevolee. Dieser ganz eigene „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ dient dem Roman als panoramahafte Kulisse und wird von Edel humorvoll stilisiert.

Seine Beschreibungen haben dabei nahezu soziologischen Wert, was die literarische Qualität nicht schmälert. Georg Simmels viel rezipierten Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ scheint Edel verinnerlicht zu haben, zumindest ist Willy Lehmann der von Simmel beschriebenen „Steigerung des Nervenlebens“ hoffnungslos ausgesetzt.

Doch ist er klug genug, die Gehaltlosigkeit seiner Existenz zu erkennen. Er verliebt sich sogar in die Fabrikantentochter Trude und begeistert sich für die Gründung eines Theaters am Potsdamer Platz. Die Liebe und sein erfolgreiches kulturelles „Engagement“ verunsichern ihn zutiefst. Sie rühren an etwas, das sich nicht in sein Selbstbild fügt: „Es muss ein erhabenes Gefühl sein, uneigennützig sich selbst für andere zu opfern – ich kann es nicht … Und man verliert leicht seinen Stil dabei.“

Darauf, wie verblüffend gegenwärtig sich Edel liest, muss man – zumindest als Berliner – heute wohl nicht extra hinweisen.

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