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Freundinnen auf dem Weg zum Einkaufstrip. Von Forough Alaei im Ort Dashte Noor im Norden des Irans fotografiert.

© Forough Alaei

Fotoausstellung über Frauenleben im Iran: Sichtbar werden hat seinen Preis

Ohne Bilder, kein Protest. Die Schau „Iran inside out“ im Willy-Brandt-Haus zeigt widerständige Perspektiven aus einem autoritären Männerstaat.

Ohne aktuelle Bilder aus dem Iran, keine Nachrichten über die Protestbewegung. So einfach ist das in der bildverliebten Medienwahrnehmung der Gegenwart. Trotz der harten Knute des Mullah-Regimes, das um die Macht der Bilder weiß und deshalb unabhängige Fotografen auch durch Haftstrafen und Berufsverbote darin hindert, große Unruhen und kleine Zeichen im iranischen Alltag zu dokumentieren, kommt es durchaus nach wie vor zu Protesten und individuellem Widerstand.

Das sagt Kuratorin Mirja Linnekugel, die zusammen mit Andy Heller die Ausstellung „Iran inside out“ im Willy-Brandt-Haus als Reaktion auf die Protestbewegung initiiert hat. „Aber es kommt nichts mehr bei uns an, weil es keine Bilder gibt.“ Tatsächlich sind die regimekritischen Aktionen, die unter dem Slogan „Frau Freiheit Leben“ nach dem Tod von Mahsa Amini im September 2022 wochenlang die Schlagzeilen füllten, längst wieder daraus verschwunden. Ein kurzer, hoffnungsvoller Slot der Sichtbarkeit einer breiten iranischen Volksopposition hat sich geschlossen.

Und die Kuratorinnen, die ursprünglich nur Fotografien zeitgenössischer Fotografinnen aus dem Iran zeigen wollten, um ein Zeichen der Solidarität und Sichtbarmachung zu setzen, mussten nach ersten Anfragen erkennen, dass es einigen Iranerinnen schlicht zu gefährlich ist, ihre Arbeiten in Berlin zu zeigen. Also traten Linnekugel und Heller einen Schritt zurück, und versammelten nicht nur aktuelle Serien, sondern auch solche, die von 2010 bis in die Gegenwart reichen.

Teils betreiben sie eine künstlerische Fotografie, die sich in der Abstraktion weniger unmittelbar angreifbar macht. Teils stammen sie auch von der Deutschen Beatrice Minda und den Iranerinnen Shirana Shahbazi und Mashid Mohadjerin, die ihre Heimat verlassen haben und inzwischen in der Schweiz und in Belgien leben.

Sarah Sasani inszeniert die Situation der Frauen in ihrer Serie „Monotony“ künstlerisch mit gestellten Szenen.

© Sarah Sasani

Die Serie „Monotony“ (2021) von Sarah Sasani, die im Iran lebt, lässt an gesellschaftskritischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sasani setzt sich mit der Rolle der Frau und der Definition ihres Körpers im Land auseinander. Ihre in entsättigten Farben inszenierten Szenen von Müttern und Ehefrauen, die Einkaufstüten schleppen, im Auto auf dem Beifahrersitz hocken oder am Herd stehen und dem am Tisch sitzenden kleinen Sohn aufwarten, sind Verzweiflungsmotive des Hausfrauenlebens. Was die Erdhaufen noch verstärken, in denen die Füße der in bleiernen Rollenklischees gefangenen Frauen stecken.

Weg mit den alten Zöpfen. Ein Zeichen der Solidarität mit der Protestbewegung, fotografiert von Forough Alaei.

© Forough Alaei

Eine farbkräftige Fotografie als Empowerment, als Medium der Lebenslust und des Stolzes. Das ist es, was Forough Alaei mit ihrem fortlaufenden Foto- und Video-Projekt „New Faces of Iran“ betreibt. An den Beginn ihrer Porträts mehrheitlich junger Frauen, hat sie eine Aufnahme ihrer eigenen Hand gesetzt, in der bunte Pillen liegen. „Seit ich vor drei Jahren verhaftet wurde, nehme ich Tabletten, um meinen Stresspegel zu senken“, erklärt sie im Bildtext. Und dass sie die Dosis erhöhen musste, wenn sich die sozialen Unruhen häuften. Die patriarchale Gewalt wirkt bis ins vegetative Nervensystem.

Forough Alaeis Fotografien zeigen Heldinnen. Frauen mit rot geschminkten Lippen, Rouge auf den Wangen, offenen Haaren und Jeans an den Beinen, die Autos reparieren, Moped fahren, trotz Verbots als Fischerin ihre Familie ernähren oder zur Gitarre Songs singen, wie die Schwestern Behin und Samin Bolouri, die seit den Protesten mit ihrer iranischen Version des Liedes „Bella Ciao“ auch international bekannt wurden. Selbst das von den Fundamentalisten missbilligte Halten eines Schoßhundes wird in einem autoritären Staat zum subversiven Akt.

Was für eine hermetische Gesellschaft der Iran ist, hat Beatrice Minda auf mehreren Iran-Reisen festgehalten. Die leeren persischen Wohnstuben und Innenhöfe, die sie in farbige Stillleben bannt, sprechen vom Bedürfnis nach Tradition und Diskretion. Sichtblenden erhöhen die geflieste Wand hinter dem Pool. Ein martialischer Metallzaun schirmt den kleinen Garten ab. Nichts ist politischer als diese Privatheit.

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