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Ein Mix aus Alt und Neu. Franco Stellas rationale, gerade Front (links) stößt im Innenhof auf die rekonstruierte Schlossfassade.

© Kitty Kleist-Heinrich

Baumanager des Humboldt Forums: „Ein Jahr Verspätung ist kein Beinbruch“

Hans-Dieter Hegner leitet den Bau des Humboldt Forums. Ein Gespräch über schwankende Kurven, Mehrkosten und seinen Architekten.

Hans-Dieter Hegner, geboren 1960 in Jena, arbeitete in den 1980er-Jahren im Ministerium für Bauwesen der DDR und war danach 16 Jahre Referent im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Seit 2007 ist Hegner Referatsleiter im Bundesbauministerium. 2016 hat er den Posten des Bauvorstands beim Humboldt Forum übernommen. Sein Vorgänger in dieser Rolle war Manfred Rettig.

Herr Hegner, heute wäre eigentlich Bauübergabe gewesen. Warum verzögert sie sich um eine Woche?
Wir machen keine Bauübergabe im klassischen Sinne, da wir Bauherr, Eigentümer und Nutzer zugleich sind. Bei uns ist alles in einer Hand, in der Hand der Stiftung. Wir übergeben sozusagen an uns selbst. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ist quasi unsere Baumanagementabteilung. Es geht also um den Rechtsakt der Betriebsaufnahme, den ich bei der Bauaufsicht anzeige.

Warum klappt nicht der geplante Termin?
Es müssen bauordnungsrechtlich alle Auflagen erfüllt sein, um als Veranstaltungsstätte in Betrieb gehen zu können. Dazu fehlt noch der zusammenfassende Bericht der Prüfsachverständigen für Brandschutz. Pandemiebedingt kommt der Bericht später, so dass wir voraussichtlich am 14. Dezember die Anzeige abgeben werden. Dann verbleiben nur noch wenige Stunden, aber es reicht.

Beunruhigt Sie das nicht?
Nein, wir sind mit unserer Mannschaft ja schon im Haus. Meine Abteilung Facility Management ist seit März auf der Baustelle präsent. Gerade läuft die Abnahme der technischen Anlagen für die technische Gebäudeausrüstung, die Besetzung der Sicherheitsleitstelle. Das ist ein Prozess, der durch einen formalen Akt zum vorläufigen Abschluss kommt.

Die Eröffnung des Humboldt Forums wurde immer wieder verschoben. Ist beim Bauen in dieser Größenordnung einfach damit zu rechnen?
Das klingt, als wäre andauernd verschoben worden. Das geschah aber nur einmal wegen eines gravierenden technischen Defekts in der Kälteanlage und noch einmal aufgrund der Pandemie. Ein Gebäude mit einer elfjährigen Planungs- und Bauzeit wegen technischer Probleme – und weil Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat – ein Jahr später zu eröffnen, ist doch kein Beinbruch. Dieses Risiko ist bei solch technisch komplexen Gebäuden einzukalkulieren.

Ihr Vorgänger Manfred Rettig hat 2016 wegen steigender Kosten aufgegeben. Eigentlich war das Limit mit 500 Millionen, dann 600 Millionen Euro politisch gesetzt. Inzwischen heißt es 677 Millionen Euro. War es das jetzt?
Es gibt eine Kostenobergrenze von 644 Millionen Euro. Wegen Corona kommen 33 Millionen Euro hinzu, weil wir einen gestörten Bauablauf hatten. Zu Beginn der Pandemie fehlte mit einem Schlag ein Drittel der Arbeitskräfte, weil sie nicht aus Tschechien, Ungarn, der Slowakei einreisen durften.

Die Baustelle musste länger betrieben werden mit Bewachung, Sicherung, Logistik. Das kostet. Deshalb ist es jetzt so wichtig, die Baumaßnahmen abzuschließen und das Gebäude selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn noch zu tun ist.

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Also keine weiteren Mehrkosten?
Nein, wir haben jetzt in etwa die Planung erreicht. Wir konnten die seit der Genehmigung ermittelten Baukostensteigerung in Höhe von etwa 81 Millionen Euro lange Zeit ausgleichen, zum Schluss nicht mehr. Aber mehr als die eingetretene Baukostensteigerung ist es dann auch nicht! In vielen Bereichen hat sie sich extrem entwickelt.

Das war in der ursprünglichen Planung von 2010 nicht vorgesehen – und ist übrigens bei keinem Bauprojekt des Bundes der Fall. Diese Zusatzkosten sind erst im Verlauf zu erkennen, und erst dann meldet man sich beim Finanzministerium für einen Nachschlag an.

Es gibt auch Mehrkosten außerhalb des Humboldt Forums. Für die Mitarbeiter reicht der Platz nicht. Intendant Hartmut Dorgerloh sucht händeringend nach Büros in der Umgebung.
Ursprünglich sollte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den kulturellen Betrieb übernehmen. Entsprechend war nur eine kleine Büroeinheit vorgesehen. Aber nach dem Beschluss von 2015, in dessen Folge die Stiftung Humboldt Forum diese Aufgabe übernehmen sollte, stieg der Bedarf. 213 Planstellen wurden eingerichtet, am Ende werden es mit Projektstellen wohl 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein.

Momentan ist neben dem Humboldt Forum ein Flügel im Kronprinzenpalais gemietet, außerdem zwei weitere Etagen in einem anderen Objekt Unter den Linden. Wir schauen uns weiter in der Nähe um, aber es muss erschwinglich bleiben.

Wegen Corona kann das Humboldt Forum vorerst nur von außen besichtigt werden, der große Akt am 17. Dezember muss ausfallen.
Wegen Corona kann das Humboldt Forum vorerst nur von außen besichtigt werden, der große Akt am 17. Dezember muss ausfallen.

© Kitty Kleist-Heinrich, Bernd Lammel (klein)

Im November warnten Beobachter vor einem Hineinstolpern in die Eröffnung, weil es immer noch Probleme mit der Klimaanlage gab. Sind sie behoben oder tragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer noch Mäntel in ihren Büros?
Das war nur während der sogenannten Wirkprinzip-Prüfungen der Fall, bei denen unter anderem der Gefahrfall simuliert wurde. Beim Check der Klimaanlage gab es Störungen, die behoben sind. Auch das Heizungsproblem ließ sich lösen. Wir haben wieder wunderbare 21, 22 Grad in den Büros.

Also keine Schwierigkeiten mehr?
In den großen Ausstellungsräumen gibt es noch Probleme mit der Kalibrierung der Klimaanlage. Wir stehen in ständigem Austausch mit den Staatlichen Museen und beobachten die Kurven. Die Befeuchtung muss in wenigen Räumen noch korrigiert werden.

Ist dann die zweite Teileröffnung im Sommer überhaupt zu schaffen? Durch die Verschiebungen verlieren die Museen Zeit für ihre Einrichtung.
Das ist eine riesige logistische Aufgabe. Allein für die Westspange werden 140 Lkw-Ladungen Exponate ins Gebäude geschafft, die nun platziert werden müssen. In Dahlem, wo deutlich weniger Objekte ausgestellt waren, wurden dafür vier Jahre gebraucht.

Für die Museen beginnt der Aufbau im Januar, auch wenn teilweise schon vor Ort gearbeitet wird. Sonst wäre das alles nicht zu schaffen. Gleichzeitig muss das Klima stabil, muss die Sicherung scharf geschaltet sein. Natürlich gibt es keine Sicherheit in Zeiten der Pandemie. Wenn jetzt zum Beispiel bei den Inbetriebnahme-Gruppen eine Person positiv getestet wird, müssen alle in Quarantäne. Das ist nicht planbar.

Wie steht es mit der Nachhaltigkeit des Gebäudes? Wie hoch ist der CO2-Ausstoß?
Der ist noch nicht ausgerechnet. Aber wir haben uns an die Energieeinsparverordnung von 2009 gehalten, ja sogar um 34 Prozent unterschritten. Ein großer Teil unseres CO2-Fußabdrucks steckt im Gebäude, der andere im Betrieb.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellt hohe Anforderungen ans Klima; die Feuchte darf nur um drei Prozent schwanken. Es wurde hochgezüchtete Technik verbaut. Aber wir verwenden Ökostrom und haben auf der Lustgarten-Seite ein Geothermie-Feld gebohrt, so dass wir geothermische Energien nutzen können. Es gibt außerdem einen Eisspeicher, der im Sommer, wenn die meiste Energie aufgewandt wird, beim Runterkühlen hilft. Dadurch sind keine zusätzlichen Kältemaschinen nötig.

Wie ist es überhaupt mit der Lebenszeit des Hauses? An zehn Jahren alten Bauten treten häufig schon erste Mängel zutage.
Nichts ist für die Ewigkeit. Wir haben aber eine solide Fassade, zum Großteil aus Sandstein, ansonsten aus verputztem Mauerstein. Wird sie gut gepflegt, hält sie mehrere hundert Jahre.

Teilweise wurde das Mauerwerk offengehalten, bis besonders große Objekte wie die Südseebooten angeliefert waren. Sie können nun nicht mehr heraus und andere Objekte nicht hinein, weil die Zugänge zu klein sind. Ist das eine Fehlplanung?
Alle großen Objekte aus Dahlem sind im Haus, alle anderen passen locker über Treppen, Fahrstühle hinein. Wir haben nicht zu klein gebaut, im Gegenteil. Für das 16 Meter lange Luf-Boot musste auch in Dahlem erst einmal eine Wand aufgebrochen werden, damit es herauskonnte. Ein solches Objekt wird es nicht noch einmal geben, dafür ist auch kein Platz mehr in der Ausstellung.

Am 17. Dezember sollen die Bauzäune gefallen sein. Wird das Land Berlin bis dahin die Außenanlage vollendet haben?
Die letzten Quadratmeter müssen noch gepflastert werden, aber das wird. Auch die Spreeterrasse ist weitgehend fertiggestellt. Es wird noch an den Rampen gearbeitet, die Handläufe werden gerade montiert.

Wegen Corona bleiben die Passagen vorerst geschlossen. Warum? Es gäbe doch genügend Abstand.
Uns blutet das Herz, dass wir keine Besucher empfangen und ihnen nicht zeigen können, was wir gemacht haben. Aber die Ausstellung zu den Humboldt-Brüdern hinter den Fenstern im Erdgeschoss der Treppenhalle, so dass man sie von außen einsehen kann, würde zu Menschenansammlungen führen.

Die Gefahr besteht auch im Schlüterhof, in dem gerade jetzt zur dunklen Jahreszeit Videoprojektionen geplant waren. Aber eine Zusammenballung ist wegen der Pandemie nicht zu verantworten. Sobald bessere Zeiten kommen, öffnen wir die Höfe und holen alles nach.

Wie verlief die Kooperation mit dem Architekten Franco Stella?
Franco Stella war nicht der alleinige Ansprechpartner, aber natürlich der Kopf des Teams. Es gab eine Arbeitsteilung, insbesondere mit dem Büro Hilmer Sattler Albrecht. Mit Stella war es kooperativ aber nicht immer einfach, einiges musste ausgehandelt werden wie zum Beispiel die Kunst am Bau. Ihn überraschte diese Forderung des Stiftungsvorstands. Aber am Ende konnten wir uns auf passende Orte für die Kunst am Bau einigen.

Das Humboldt Forum ist ein Konglomerat aus Alt und Neu. Der Förderverein Berliner Schloss e. V. sorgte mit 105 Millionen Euro Spenden für die Wiedererstehung der Barockfassade. War es anstrengend, mit den Nostalgikern zusammen zu arbeiten?
Es war nicht leicht, Spenden in dieser Größenordnung zu generieren; auch die Stiftung hat sich aktiv daran beteiligt, etwa durch Veranstaltungen. Einige Mitglieder des Fördervereins hätten zwar gerne sämtliche Innenräume historisch ausgebaut, doch wir haben dann einen guten Kompromiss gefunden.

Der Geschäftsführer des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, will als nächstes die Krönung der Schlossportale und der Kuppel sowie den Portaldurchgang 4 in Angriff nehmen. Bleibt das Humboldt Forum eine ewige Baustelle?
Die Spenden haben durch die Preissteigerungen nicht gereicht für den Portaldurchgang 4. Außerdem soll es auf der Balustrade der Kuppel Figuren geben. Jedes Haus ist immer auch Baustelle. Wenn sich nichts mehr ändert, ist der Bauherr tot oder der Bau soll abgerissen werden. Auch das erst 2017 bewilligte Dach-Café ist noch nicht fertig. Auf der Ostseite wird noch die Ausstellungsgestaltung zu Ende gebaut. Es war immer geplant, dass bestimmte Bereiche vollendet werden, während schon Besucher im Hause sind.

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