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Mozart: Berlin hält die meisten Originalnoten

Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt die größte Sammlung von Mozarts Originalnoten - rund 300 der geschätzten 550 Mozart- Autographen, die weltweit in öffentlicher Hand sind.

Berlin - Es waren keine guten Nachrichten, die Mozart da aus Berlin vermeldete. «Mein liebes Weibchen», schrieb der Komponist im Mai 1789 an Ehefrau Constanze, «Du must Dich bey meiner Rückkunft schon mehr auf mich freuen, als auf mein Gelde». Mit ein paar Kompositionsaufträgen in der Tasche, doch ohne Aussicht auf eine feste Anstellung am preußischen Hofe, reiste Mozart (1756-1791) aus Berlin wieder ab. Und trotzdem - an der Spree ist Mozart, dessen 250. Geburtstag am 27. Januar bevorsteht, wie in kaum einer anderen Stadt präsent.

Im Tresor der Musikabteilung der Staatsbibliothek, hinter dicken Mauern am Lindenboulevard, wo auch die Originale von Beethovens Fünfter und Neunter sowie 80 Prozent der Werkautographen Johann Sebastian Bachs aufbewahrt werden, ist das Schaffen des Salzburger Genies mit Händen zu greifen - allerdings nur in Spezialhandschuhen. Helmut Hell, Leiter der Musikabteilung und Wächter über den Notenschatz, berührt nur leicht das Papier, «sehr solide, ohne Tintenfraß», beschreibt er die Seiten und gerät über die «sehr disziplinierte, sehr elegante Arbeit» Mozarts ins Schwärmen.

Völlig unspektakulär, bei 18 Grad Celsius und 50 Prozent Lufttemperatur, werden die Originale in Stahlschränken aufbewahrt, darunter sechs von Mozarts wichtigsten Bühnenwerken. Dazu zählen Teile der «Entführung aus dem Serail» und von «Cosi fan tutte» sowie die komplette «Zauberflöte». Auch Orchesterkompositionen wie die «Jupitersinfonie» und die «Haffnersinfonie», Messen, Kammermusik, Arien und Briefe gehören zu den «Kronjuwelen» der Staatsbibliothek.

Nur ausgewiesene Fachleute dürfen im Lesesaal neben dem Schutzraum die Werke einsehen. Und nur ausnahmsweise, wie im Mozart-Jahr 2006 werden die Noten ausgeliehen. Auf der großen Mozart-Ausstellung in der Wiener Albertina (16. März - 20. September) werden mehrere Berliner Autographe präsentiert, darunter die Oper «La Finta Sémplice». «Schätze, wie Mozarts Noten, machen deutlich, welche Schätze aus dem Weltkulturerbe die Staatsbibliothek hütet», sagt Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf. Ein Teil der Mozart-Werke, die Opern ab «Idomeneo» (1781), wird zur Zeit digitalisiert und soll über das Internet einsehbar sein.

Ein Blick auf die erste Seite der «Zauberflöte» scheint jenen Trivialmythos zu bestätigen, wonach dem «Götterliebling» die Musik gleichsam zuflog und er sie nur auf Papier bringen brauchte. «Nun muß ich schließen, denn ich muß hals über kopf schreiben - komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht», bemerkt Mozart am 30. Dezember 1780 in einem Brief an seinen Vater. Tatsächlich reiht Mozart wie gestochen die Noten aneinander, fast ohne Korrekturen, sauber geschrieben - Kunst aus einem Guss.

Erst die Forschung zeigte am Beispiel der unterschiedlichen Tintenfarben, wie Mozart zunächst die «Gerüststimmen» Bass und Melodie oder die Singstimme notierte, um danach die «Füllstimmen» einzutragen. Gelegentlich, so zeigt Hell am Beispiel der «Jupitersinfonie«, wischte Mozart mit dem Finger über die feuchte Tinte und schrieb die Korrektur darauf.

Es war eine lange Reise, bis die Mozart-Noten Berlin erreichten. Nach dem Tod des Komponisten 1791 versuchte die Witwe Constanze die Handschriften ihres Mannes zu verkaufen. Der Offenbacher Verleger Johann Anton André übernahm den Nachlass, den er 1840 der Königlichen Bibliothek in Berlin verkaufen wollte. Die Bibliothek lehnte ab - zu teuer. Nach Andrés Tod meldeten sich die Enkel 1872 wieder in Berlin. Für nur 12 000 Taler übernahm die Bibliothek Autographe zu 140 Werken. Dazu kam später die «Figaro»-Partitur aus dem Nachlass des Verlegers Simrock, die «Entführung» schenkte der Bankier Ernst von Mendelssohn-Bartholdy.

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Musiksammlung zum Schutz vor Bombenabgriffen an 30 Orte ausgelagert - in Klöster, Schlösser und stillgelegte Bergwerke. Während nach und nach die Bestände aus Ost und West nach Berlin zurückkehrten, fehlen bis heute noch jene Autographen, die im schlesischen Benediktinerkloster Grüssau lagen. Sie werden bis heute in der Krakauer Universitätsbibliothek aufbewahrt.

Allerdings hat Polen in der Vergangenheit Zeichen des guten Willens gesetzt: Im Mai 1977 erhielt die Bibliothek neben Beethovens Neunter und zwei Bach-Werken auch die «Zauberflöte», Mozarts C-Moll- Messe und die «Jupitersinfonie» zurück. Doch 100 Stücke allein aus dem Mozart-Bestand lagern noch in der Krakau. Noch immer geht durch die große Berliner Mozart-Sammlung ein Riss. (Von Esteban Engel, dpa)

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