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Kultur: Auf Abwegen

Sabine Wenzel fotografiert den deutschen Wald mit Unschärfen. Eine Schau in der Galerie Engler

„Rotkäppchen schlug die Augen auf…“ - aber erst, nachdem es der listige Wolf aufgefordert hatte, nicht nur so vor sich hinzugehen und lieber die Schönheit des Waldes zu genießen. Das Mädchen sieht dann, „wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzen“.

Diesen Moment fängt die Fotografin Sabine Wenzel in ihren Waldszenen ein. Ein Moment, der changiert zwischen Bedrohung und Einladung. Nachdem Rotkäppchen sich von der Schönheit hat ablenken lassen, gerät es „immer tiefer in den Wald“. Die Fotos scheinen jenen Moment zu dokumentieren, an dem es schon zu weit gegangen ist: Es sind die Blicke Verlorener an der Schwelle zum Alptraum. Oder von Traumverlorenen, die an der Schwelle zum Aufwachen stehen. Wenzels Wachtraumbilder sind in der Galerie Engler zu sehen. Die 1966 geborene Künstlerin kennt sich gut aus mit dem Ort, sie ist im Thüringer Wald aufgewachsen und erforscht systematisch den deutschen Wald. Ihre Wege sind geübt und manchmal auch durch Aufträge vorgegeben, denn sie arbeitet für Printmedien und Industrie und beherrscht ihr Handwerk, das sie in Leipzig und Halle studiert hat.

Das ist ihre Basis, Ortskenntnis und Geschick, bevor das Experiment ins Spiel kommt. Denn um diese Traumbilder des Waldes entstehen zu lassen, benutzt sie eine Technik, die geheim bleibt. Jedenfalls sind die Bilder nicht digital nachbearbeitet, das ist der Künstlerin wichtig festzustellen. Die Unschärfen der Fotos wirken mal wie durch Wimpernschläge zart verwischt, mal wie durch einen Eissturm gepeitscht. Ihr Thema aber bleibt „der deutsche Wald“ und das Festhalten dessen, was „immer noch“ da ist. Die Orte situiert sie möglichst genau, so wie den „Wald bei Nikolskoe“. Wer dort einmal war, erkennt es wieder und doch nicht. Denn träumerisch ist der Blick auf Abwege geraten.

„Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen“, denkt Rotkäppchen am Schluss des Märchens. Die Fotos von Sabine Wenzel machen sich aber genau auf diesen Weg. Bettina Klix

Galerie Engler, Kastanienallee 67, bis 8. Dezember, Di. bis Sa. von 13-20 Uhr.

Bettina Klix

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