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Der russische Opernstar Anna Netrebko im Juli 2022 im Innenhof des Fürstenschlosses St. Emmeram während der Schlossfestspiele.

© dpa/Armin Weigel

Anna Netrebko in der Berliner Staatsoper: Ihre Kunst geht ihr vor die Moral

Die Staatsoper Unter den Linden will die Arbeit mit Anna Netrebko wieder aufnehmen - vier Mal soll sie im September in Harry Kupfers „Macbeth“-Inszenierung auftreten. Eine gute Idee?

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Es sind noch zwei Wochen bis zur Rückkehr Anna Netrebkos an die Staatsoper Unter den Linden, und doch ist die Aufregung schon jetzt groß. Soll sie vom 15. September an in Harry Kupfers „Macbeth“-Inszenierung auftreten, wie es Staatsopern-Intendant Matthias Schulz plant und befürwortet? Oder soll sie nicht, wie es mehr als 30.000 Menschen (Stand Freitagabend) in einer Petition mit dem Titel „Kein Auftritt von Anna Netrebko an der Berliner Staatsoper“ fordern, darunter die DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler?

Netrebko ist umstritten wegen ihrer Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin, zumindest der Nähe bis zu dem Tag, da das russische Militär in der Ukraine einfiel. Ein halbes Jahr zuvor hatte Netrebko im Kreml-Palast ihren 50. Geburtstag mit einer Gala gefeiert, 2012 hatte sie für eine Wiederwahl Putins geworben.

Keine Auftritte mehr in Russland seit Februar 2022

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs jedoch hatte sie diesen, verhalten und zögerlich, verurteilt und sich von der russischen Führung distanziert: „Ich bin weder Mitglied einer politischen Partei noch bin ich mit irgendeinem Führer Russlands verbunden.“ Zudem bedauere sie, dass ihre Handlungen und Aussagen falsch interpretiert worden seien.

Staatsopern-Intendant Schulz ist überzeugt von der Glaubwürdigkeit dieser Äußerung, zumal Netrebko seit Kriegsausbruch keine Auftritte mehr in Russland hatte und auch nicht plant. Nun ist Netrebko allerdings ein Weltstar und auf russische Bühnen nicht angewiesen, gefeiert wurde sie in den vergangenen Monaten trotz mancher Proteste in Wien oder Wiesbaden, in Verona oder Buenos Aires.

Man mag ihr ihre Distanz zu Putin glauben und ihr Fernbleiben von russischen Bühnen gutheißen, wie Schulz; man würde sich aber gerade von einem Weltstar wie Netrebko deutlichere und häufigere Verurteilungen des russischen Vorgehens wünschen, viel mehr Empathie mit der Ukraine. Das scheint ihre Sache nicht zu sein. Ihre Kunst geht ihr vor die Moral.

Petitionen allerdings haben noch nie zu Absagen von Konzerten geführt, siehe auch Rammstein, das entscheiden vorrangig doch Veranstalter oder eben die Künstler:innen selbst, nicht die Politik.

Insofern dürften die vier Auftritte Netrebkos am 15., 17., 21. und 23. September sicher stattfinden, es wird weiterhin Diskussionen geben, und wieder einmal ist das Publikum gefragt: Wer Netrebko als zu unpolitisch, als zu nahe an Putin empfindet, verzichtet auf diesen Kunstgenuss.

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