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Das von Sonia Gonzalez geleitete Ausstellungshaus Villa Schöningen will künftig Themen vor allem aus Döpfners Sammlung generieren. Dessen Themen: Akte, Akte, Akte. Darunter auch Johannes Grützkes „Gesundheit“ von 1991.

© Andreas Klaer

Akte, Akte, Akte in der Villa Schöningen: Döpfner will seine kunstsinnige Seite zeigen

Springer-Chef Mathias Döpfner steht in der Kritik wie nie zuvor. Nun gibt er in Potsdam mit der Ausstellung „Anbaden“ Einblicke in seine Kunstsammlung – und wandelt auf schmalem Grat.

Dem Hausherrn der Villa Schöningen zu begegnen, ist nicht schwer. Man muss nur den Weg zur Toilette finden: ins Untergeschoss. In großen Rahmen sind im Treppenhaus Fotocollagen von der Eröffnungssause des Gebäudes aus dem Jahr 2009 zu sehen. Helmut Kohl. Friede Springer. Angela Merkel, die das „Museum der Freiheit“ selbst eröffnete. Auch Benjamin von Stuckrad-Barre ist da. Und immer wieder der Hausherr. Mathias Döpfner.

Heute ist die Villa Schöningen kein „Museum der Freiheit“ mehr, sondern widmet sich der Kunst. Und seit Kurzem weiß die Welt, wie Döpfner privat über Merkel („sargnagel der Demokratie“) und Ossis („entweder Kommunisten oder faschisten. Eklig“) dachte.

Zudem hat er mit dem ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt jahrelang einen Mann protegiert, der seine Macht gegenüber ihm unterstellten jungen Frauen ausgenutzt und missbraucht haben soll. Reichelt weist diese Vorwürfe vehement zurück.

Die kunstsinnige Seite des Verlegers

Dass die Villa Schöningen in diesen Tagen ausgerechnet eine Ausstellung eröffnet, die den nackten weiblichen Körper in den Mittelpunkt rückt, mutet vor diesem Hintergrund doppelt bizarr an. Alle Bilder, die „Anbaden“ versammelt, stammen aus der Sammlung Döpfner. Der Verleger und Milliardär will hier seine kunstsinnige Seite zeigen.

Nicholas Warburg, „Die oberen 10.000“, ein mit dem Motiv der 100 DM-Scheine bedruckter Handtuchstapel.

© Andreas Klaer

Natürlich war die von Sonia González kuratierte Ausstellung geplant, lange bevor Döpfners private Kommunikation öffentlich wurde. Das Haus will damit eine neue Ära einläuten: Themen sollen künftig aus der Sammlung Döpfner generiert werden.

Sonia Gonzàlez leitet die Villa Schöningen seit 2020.

© Andreas Klaer

So verfährt auch das Museum Barberini. Wobei sich die Sammlungen nicht vergleichen lassen. Dort Impressionismus und DDR-Kunst. Hier: Akte, Akte, Akte. Und mal ein Spitzweg.

Das Ausgangsmotiv hat die Schau bei Rubens geborgt

2019 gab es einen ersten Versuch, die Döpfnersche Sammlung gebündelt zu zeigen. „Nude“, von Döpfner selbst kuratiert. Sie kam bei der Kritik nicht gut weg. Kunst von Frauen sei nicht automatisch feministisch, hieß es damals. Das will Sonia González anders machen.

„Die Ausstellung zeigt meinen Blick“, sagt sie. González zufolge ist der feministisch. An der Kuratierung habe der Döpfner-Skandal nichts geändert. Döpfner nehme eben gern Gegenpositionen ein. Sie kenne ihn, habe mit ihm auch darüber gesprochen. Sie könne es einordnen.

Max Pietschmanns „Fischzug des Polyphem“ wurde erst vor Kurzem auf einem Dresdner Dachboden wiederentdeckt.

© Andreas Klaer

Im Übrigen hofft sie, dass „die Arbeit für sich sprechen“ werde. Sie baut darauf, dass die Leute nicht nur Döpfner sehen, sondern Kunst. Wer das versucht, merkt: keine leichte Aufgabe. Zumal das historische Motiv, von dem die Schau ausgeht, wie ein Vorbote des Skandals wirkt, über dem Reichelt und Döpfner, langjährige Buddys, sich entzweiten: „Susanna beim Bade“, ein biblischer MeToo-Moment.

Die berühmten Varianten von Peter Paul Rubens und Massimo Stanzione hängen in Potsdam. Susanne wird von betagten Priestern nackt am Brunnen überrascht und begehrt. Als sie sich wehrt, wird sie, das Opfer, des Ehebruchs bezichtigt.

Nicht nur die Alten Meister nahmen die Bibel oder Mythen zum Vorwand, um nackte Frauen zu zeigen. Wer nach Beweisen sucht, dass die Kunstgeschichte voller solcher Kniffe ist, wird hier fündig.

Die schmachtenden Gesten der Bachhantin, Andromeda oder Venus von Corinth, Spencer Stanhope oder Rottenhammer sind einander so ähnlich, dass man über so viel Einfallslosigkeit lachen will. Die Hängung hilft dabei.

Auch wer im Hause Döpfner nach Kommentaren zur Macht des Geldes sucht, findet („Die oberen 10.000“ von Nicholas Warburg). Und gleich am Eingang begrüßt einen mit Johannes Grützkes „Gesundheit“ der überlebensgroße Beweis, dass nicht alle Frauen im Wasser Nymphen, Feen, Göttinnen oder Leichen sind. Das ist gut zu wissen.

Aber ist es irgendwie neu? Der erste Gedanke, den diese Auftaktausstellung hinterlässt: Döpfners Thema dürfte sich bald erschöpfen. Der zweite: Die Kunst bleibt größer als ihr Sammler, immerhin.

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