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Bei einer Demonstration wird ein Schild mit der Aufschrift "Guhte Schule geet anderst. Neue Lehrer braucht das Land" hochgehalten. Die Gewerkschaft GEW und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) hielten eine Kundgebung gegen das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Lehrermangels des Bayerischen Kultusministeriums ab.

© picture alliance/dpa/Nicolas Armer

Kaputtes Schulsystem?: Das meint die Tagesspiegel-Community zur Situation an deutschen Schulen

In einem Gastbeitrag klagt Lehrer Malte Neumann über strukturelle Probleme im Studium. Lesen Sie hier Erfahrungsberichte von Lehrkräften aus der Tagesspiegel-Community.

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In einem Gastbeitrag klagt Malte Neumann über strukturelle Probleme im Lehramtsstudium, einer dringend notwendigen Fehlerkultur im Kollegium und von Fehlentscheidungen auf Seiten der Politik. Nach nur anderthalb Jahren Berufserfahrung gab er auf.

Maximal heterogene Klassen mit bis zu 30 Schüler:innen, unterschiedliche Lernstände und psychosoziale Hintergründe erschweren neben einer unzureichenden pädagogischen Ausbildung den Unterricht. Ohne eine grundlegende Reform des Schulsystems wird der Lehrkräftemangel nicht aufzuhalten sein, so Neumann. 

Viele Tagesspiegel-Leserinnen und -Leser können die Erfahrungen und Schlussfolgerungen des Autors nachvollziehen, manche berichten aus eigenen Erlebnissen als Lehrkraft. Lesen Sie hier eine redaktionelle Auswahl aus unserer Community.

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hesi1808
Ich habe nahezu 40 Jahre lang hauptsächlich an Hauptschulen und ISS als Physik- und Chemielehrer, manchmal auch Mathe, gearbeitet, 25- 28 Stunden/Woche.

Das Ausbrennen fing nach 20 Jahren an, als die Hauptschule als Ersatz für die teure Sonderschule betrachtet wurde, reihenweise schwer Verhaltensgestörte in die Klassen kamen, ohne dass Sonderschullehrer zur Beratung kamen.

Das lief dann unter dem Begriff Integration. Dann kamen Lernbehinderte dazu, natürlich waren das Sparmaßnahmen, denn die Sonderschullehrerinnen und Sonderschullehrer wurden bei Ruhestand nicht ersetzt, sondern die Stellen wie im allgemeinen Schulbereich gestrichen.

Der Todesstoß an den Oberschule war jedoch die Einführung der ISS. Plötzlich sollte binndifferenzierter Unterricht das Allheilmittel sein, war aber eigentlich nicht so machbar. Wer das tatsächlich probierte, 28 Stunden mit 3 Leistungslevels (oder 4 oder 5) je nach Klasse fand sich relativ schnell in der Klappsmühle wieder, ausgebrannt wie eine Feuerwerksrakete.

Gleichzeitig die Lernbehinderten und Verhaltensgestörten, da haben viele Kolleginnen und Kollegen das Handtuch geworfen. Die, die bis 63 oder sogar 65 durchgehalten haben, haben 2-3 Jahre gebraucht, um wieder in ein normales Leben ohne Schafstörungen zurückzufinden.

Es war die Politik des Herrn Sarrazin und Herrn Wowereit mit ihrer SPD und den Linken, die diese Schulkatastrophe zu verantworten haben, anschließend eine völlig inkompetente Schulsenatorin.

Ich habe den Beruf 30 Jahre gerne gemacht, die anschließenden 9 Jahre waren Quälerei. Diese letzten Jahre waren getragen von einem völligen Versagen der Politik ( SPD, die 23 Jahre den Schulsenator/die Schulsenatorin gestellt hat) und ihre Sparorgien als Verbesserung verkauft hat.


PMS
Der Beitrag bringt vieles auf den Punkt, wenig ist zugespitzt - er widerspiegelt gut den Zustand der Schule. Das sollte eine Pflichtlektüre in den Kultusministerien werden. Ich höre aber schon die Stimmen: „Nicht einmal angefangen und schon aufgegeben.“ „Diese Generation hält nicht durch, ist ja alles soooo schwer.“

Aber der Autor bringt es auf den Punkt: Studium und Schulsystem entspricht schon lange nicht mehr den Anforderungen. Das System Schule - die größte nachhaltige Ressource unseres Landes - ist permanent monetär und personaltechnisch unterfinanziert, der soziale Bildungsansatz zwar gut, aber inhaltlich immer noch im letzten Jahrtausend.

Leider gewinnt man als Politiker kein Ansehen durch bildungspolitische Themen, aber die absehbaren Folgen werden dramatisch sein. Wir brauchen Politiker, die zuhören können und sich trauen - und vielleicht auch „Bildungs-Kleber“.


friedrich66
Ich bin seit 25 Lehrer, seit 15 Jahren zusätzlich Ausbilder für Referendare und unterschreibe jeden Satz. Das Motto - nicht nur in Berlin - der Bildungsverwaltungen lautet: Lieber schlechte Schule, als gar keine Schule. Bildungsauftrag erfüllt.


KaiFrese
Dieser Beitrag spiegelt exakt das wieder, was ich als Lesepate in den letzten Jahren an einer Grundschule nahe Görlitzer Bahnhof erlebt habe. Ich verstehe nicht, wie unsere Verantwortlichen sehenden Auges eine Vielzahl von Schülern in eine Zukunft schicken, in der sie keinerlei Chance auf Teilhabe an einem vernünftigen Leben haben.

Schüler, die nach Beendigung der Oberschule nicht in der Lage sein werden eine Ausbildung zu absolvieren. Während wir gleichzeitig einen riesigen Mangel an Facharbeitern haben.

Die Lehrer haben einen wirklich harten und schweren Beruf und anstatt die Klassenstärke in sozial schwächeren Bezirken zu halbieren, wird es aufgrund des Lehrermangels in den kommenden Jahren eher noch schlimmer werden.


Galatea1989
Er beschreibt die Situation sehr treffend, so, wie ich sie vor allem in den letzten Jahren meiner Tätigkeit an Berliner Gesamtschulen erlebte. Die von der Ständigen Kommission angestoßenen Maßnahmen verschlechtern nur die Situation an den Schulen. Wer will da noch auf das Lehramt studieren? 

Die Politik hat trotz des eklatanten Lehrermangels immer noch nicht begriffen, dass Entlastung - und nicht wie jetzt geplant, zusätzliche Mehraufgaben - notwendig ist. Dazu muss Geld in die Hand genommen werden. Einige Nachbarländer machen es vor.  Ralf Kennis, Sekundarschulrektor i.R.


Pat7
Ich bin froh, dass meine Tochter mit einer schweren Lernbehinderung noch auf eine Förderschule gehen konnte. So hat sie den Hauptschulabschluss und eine Berufsausbildung geschafft und lebt heute auf eigenen Füßen, auch finanziell. In dem System heute, hätte sie keine Chance gehabt und wäre wohl ein Leben lang auf die Wohlfahrt angewiesen.


peterrist
Aus Sicht eines Lehrers in Berlin kann ich mich nur für die treffende Analyse bedanken. Schade, dass wir nicht mehr Unterstützung aus Politik und Gesellschaft bekommen. Die Arbeit ist für unsere Gesellschaft grundlegend, denn in den Schulen entsteht die Gesellschaft von Morgen. Dennoch höre ich immer wieder, dass wir gut verdienen würden, viel Ferien hätten, auf hohem Niveau jammern würden usw.

Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen arbeiten nur 20 Unterrichtsstunden, weil eine volle Stelle gar nicht zu schaffen ist. Dass man jetzt die jungen Kollegen wieder verbeamtet ist richtig, dass man die älteren billig abfindet, empfinde ich als ungerecht und schäbig.

Ich mache den Job seit über 20 Jahren und wünsche mir nach wie vor, dass die Schule ein Ort wird, an dem Menschen zusammenkommen, um gemeinsam mit Freude leben und lernen zu können. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen mehr Zeit für den einzelnen, die Schüler und Schülerinnen, mehr Zeit für Dinge, die sie gerne machen.


Pfeiffermitdreif
Ein wesentliches Problem, das der Autor nennt, ist tatsächlich die große Heterogenität in den Klassen. An den Gymnasien tragen die Problemschüler, die meist ohne entsprechende Grundschulempfehlung durch Elternwunsch und Losverfahren ans Gymnasium gekommen sind und deren Eltern im erheblichen Maße zur Überlastung der Lehrkräfte bei.

Das Losverfahren, über das hier in einem anderen Beitrag kritisiert wird, weil es ja angeblich statistisch nicht genügend zur Heterogenität beiträgt, ist nur ein kleiner Beitrag, mit dem Gymnasien belastet werden. Viel schlimmer und leider irreversibel wirkt die Aufhebung der Gesamt-, der Haupt- und der Realschule und die Reduzierung der Förderschule als Schulform.

Man könnte noch die Aufhebung der Vorklassen nennen. Alle diese von den linken Parteien politisch gewollten Änderungen haben letztlich zu den Verhältnissen geführt, die der Autor hier z. T. treffend beschreibt. Letztlich macht das System die Lehrkräfte kaputt oder gleichgültig und es finden sich nicht genügend junge Leute, die sich das zumuten wollen - trotz der guten Bezahlung und der vielen Ferien.



thedoctor46
Ich kenne die Lehrerausbildung nicht im Detail - ich weiß aber aus Berichten von Lehrern/Freunden/Bekannten, dass es viel Verbesserungspotential in der Ausbildung gibt - auch kann man wohl kaum unerfahrene Neulinge in Brennpunkte schicken - die sind nach einem Jahr schon reif für die Klapse.

Ich war selbst Ausbilder für benachteiligte Jugendliche. Bei einer Gruppe von z.B. 30 Schülern genügen 2-3 Quertreiber, um alles aufzumischen. Wenn man dann allein ist - herzliches Beileid. Ich habe gekündigt. Es war ein etablierter Bildungsträger.

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