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22.03.2024, Belgien, Brüssel: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht bei einer Medienkonferenz zum Abschluss eines EU-Gipfels.

© REUTERS/Johanna Geron

Zweifel an dem Verfahren: Von der Leyen wegen umstrittener Ernennung eines CDU-Parteikollegen unter Druck

Von der Leyen wird Voreingenommenheit bei der Besetzung eines Kommissionspostens vorgeworfen. Abgeordnete des Europaparlaments fordern eine Neuauflage des Auswahlverfahrens.

Ursula von der Leyen gerät wegen der Ernennung ihres CDU-Parteikollegen Markus Pieper für einen gut bezahlten Kommissionsposten zusehends unter Druck. Seine Ernennung zum Mittelstandsbeauftragten habe „Fragen zur Transparenz und Unvoreingenommenheit“ des Verfahrens aufgeworfen, heißt es in einem Schreiben von vier EU-Kommissaren an Leyen, das der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag vorlag.

Europaabgeordnete mehrerer Fraktionen forderten eine Neuauflage des Auswahlverfahrens. Abgeordnete von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken werfen Leyen vor, bei der Besetzung könnte „die Parteizugehörigkeit des Kandidaten eine entscheidende Rolle gespielt haben“. Auf eine entsprechende Anfrage an die Kommission von Ende Februar habe er „noch immer keine Antwort“ erhalten, erklärte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund am Donnerstag im Onlinedienst X.

Der bisherige CDU-Europaabgeordnete Pieper war Ende Januar zum Mittelstandsbeauftragten der EU-Kommission ernannt worden, gut einen Monat vor Leyens Wahl zur Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahl. Nach Angaben aus Kommissionskreisen setzte sich Pieper in der engeren Auswahl gegen zwei Gegenkandidatinnen durch, obwohl er bei den Bewerbungskriterien deutlich schlechter abgeschnitten hatte.

Zweifel an Piepers Wettbewerbsfähigkeit in EU-Kommission

Die EU-Kommission muss ihre Posten zudem möglichst geschlechterparitätisch besetzen, Bewerber aus eher unterrepräsentierten Mitgliedstaaten erhalten den Vorzug. Als männlicher Bewerber aus Deutschland hätte Pieper demnach geringere Chancen als seine Gegenkandidatinnen, die Tschechin Martina Dlabajová und die Schwedin Anna Stellinger.

Zweifel an dem Verfahren kommen nun auch aus der Kommission selbst: Das Kollegium müsse „gemeinsam über eine Antwort auf die Vorwürfe und über mögliche Auswirkungen auf die nächsten Schritte im Einstellungsverfahren beraten“, heißt es in einem Schreiben der Kommissare Thierry Breton, Nicolas Schmit und Paolo Gentiloni sowie des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Ursula von der Leyen wird vorgeworfen, bei der Ernennung von Markus Pieper weder unvoreingenommen noch unparteilich entschieden zu haben.

© dpa/Geert Vanden Wijngaert

Leyen werde „sich selbstverständlich der Debatte stellen“, erklärte ihr Sprecher am Donnerstag in Brüssel. Die Kommissionspräsidentin habe jedoch „vollstes Vertrauen“, dass die Einstellung Piepers rechtmäßig sei. Die Besetzung sei „genau wie jedes anderes Ernennungsverfahren“ abgelaufen, betonte der Sprecher.

Der Streit fällt in den Wahlkampf vor den Europawahlen Anfang Juni. Die Besetzung sei möglicherweise eine „Gefälligkeit“ Leyens an einen kritischen Parteikollegen, vermutete der grüne Abgeordnete Freund. Aus dem Umfeld von Binnenmarktkommissar Breton hieß es, er habe sich seinerseits für die Ernennung der Tschechin Dlabajová aus seiner liberalen Parteifamilie eingesetzt. Nicolas Schmit, einer der Unterzeichner des Briefs aus der Kommission, ist zugleich der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten.

Das Europaparlament befasst sich in der kommenden Woche erneut mit der Ernennung Piepers. Abgeordnete von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken reichten einen Antrag ein, indem sie die Kommission auffordern, die Entscheidung rückgängig zu machen. Die Behörde müsse stattdessen „ein wirklich transparentes und offenes Verfahren für die Auswahl des EU-Mittelstandsbeauftragten einleiten“. Über den Antrag wird in einer Plenarsitzung am Donnerstag abgestimmt.

Markus Pieper reagierte am Donnerstag zunächst nicht auf Anfragen der Nachrichtenagentur AFP. (AFP)

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