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Ein junges Paar spaziert durch das Stadtzentrum, das nach einem russischen Raketenangriff am Tag zuvor ohne Strom ist.

© dpa/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion Tag 323: Stromausfälle in der Hauptstadt – so erfinderisch reagieren die Kiewer

Familie sorgt sich um Nawalny, Russland könnte sich auf eine zweite Mobilisierungswelle vorbereiten und Diskussionen um Leopard-Panzer. Der Überblick am Abend.

Seit Wochen greift die russische Armee gezielt die Energieinfrastruktur in der Ukraine an. Auch in der Hauptstadt Kiew kommt es dadurch immer wieder zu Stromausfällen. Doch die Einwohner lassen sich nicht unterkriegen und versuchen, ihrem Alltag so gut es geht nachzugehen – mitunter improvisiert.

Die „New York Times“ berichtet nun, wie das aussehen kann (Quelle hier). So hat sie sich beispielsweise im Möbelausstellungsraum eines Kaufhauses umgesehen. Dort, wo einst Menschen Fließen oder Spülen für ihre Küche einkauften, sitzen nun geschäftige Kiewer mit ihren Notebooks und versuchen zu arbeiten.

So wie Artem Kudria, der für ein Technologieunternehmen arbeitet. „Ich habe keinen Strom in meinem Büro, heute Morgen gab es kein Licht, deshalb bin ich hierher gekommen“, sagte er der Zeitung. „Die Hauptsache ist, dass man wenigstens etwas Produktives macht“, sagte er – auch wenn das bedeute, nur drei oder vier Stunden am Tag zu arbeiten. „Es ist eine Trotzreaktion“, sagte Iryna Bezverkha, eine Beraterin, die das Angebot ebenfalls nutzt. „Man macht weiter wie bisher und macht das, was man in seinem normalen Leben gemacht hat. Wir müssen uns einfach anpassen.“

Es ist nur ein Beispiel für die Improvisationen in Kriegszeiten. Lebensmittelgeschäfte hätten Sofas auf- und Verlängerungskabel bereitgestellt, damit Kiewer dort arbeiten könnten, heißt es in dem Bericht weiter. Auch auf deren Parkplätzen gebe es die Möglichkeit, das Auto abzustellen, online zu gehen und aus dem eigenen Wagen heraus zu arbeiten. Selbst in den U-Bahn-Stationen sehe man überall Menschen mit Notebooks, während sie dort vor den Luftangriffen Schutz suchten.

Natürlich funktionieren nicht alle Bereiche digital. Kleinere Läden wie etwa Friseure versuchen daher, mit Generatoren über die Zeit der Stromausfälle zu kommen und das Geschäft am Laufen zu halten. Und manchmal, so schreibt die „New York Times“, hält ein Kunde auch schon mal eine Taschenlampe, während die Friseurin ihm im Dunkeln die Haare schneidet.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Unterstützer und Familienangehörige des in einem russischen Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny haben sich besorgt über den Gesundheitszustand des 46-Jährigen geäußert. Nawalny habe erneut einen Gerichtstermin nicht wahrnehmen können, weil er zu krank dafür sei, schrieb seine Sprecherin. Mehr hier.
  • Die russische Verwaltung bereitet nach Einschätzung des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) eine zweite Mobilisierungswelle vor. Das geht aus dem aktuellen Bericht hervor. Dabei stützt sich das ISW auf Meldungen des ukrainischen Militärnachrichtendienstes. So dürften russische Bürger, die für das Militär geeignet seien, nicht mehr das Land verlassen. Das hätte der russische Inlandsgeheimdienst mit Wirkung ab 9. Januar veranlasst.
  • Russland hält auch nach dem Umbau seiner Befehlsstruktur für den Krieg in der Ukraine an den Zielen der Invasion fest. Die vier annektierten Gebiete sollten vollständig eingenommen werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht schließt die Lieferung deutscher Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine nicht aus. Es gebe in der Bundesregierung diesbezüglich bislang keine Entscheidung, betonte die SPD-Politikerin bei einem Besuch der Bundeswehr im sächsischen Marienberg. 
    Sie fügte allerdings hinzu: „In den Zeiten, in denen wir leben, .... sind wir gut beraten, uns immer auf die jeweilige Situation einzustellen.“ Es sei der richtige Ansatz, „nichts auszuschließen“. Alleingänge Deutschlands werde es aber nicht geben, bekräftigte sie. 
  • Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich dafür ausgesprochen, die Lieferung von polnischen Leopard-Kampfpanzern in die Ukraine nicht an einem deutschen Einspruch scheitern zu lassen. „Es gibt einen Unterschied, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen oder die Entscheidung von anderen zu verhindern“, sagte der Vizekanzler der Grünen. „Und entsprechend sollte Deutschland sich nicht in den Weg stellen, wenn andere Länder Entscheidungen treffen, die Ukraine zu unterstützen, unabhängig davon, welche Entscheidung Deutschland trifft.“ Habeck spielte damit auf die Diskussion an, ob Deutschland auch selbst Leopard-Panzer an die Ukraine liefern sollte.
  • Ein Gericht in Russland hat einen Berufssoldaten zu fünf Jahren Gefängnis verurteiltweil er nicht in der Ukraine kämpfen wollte. Der 24-Jährige, der „nicht an einer militärischen Spezialoperation teilnehmen wollte“, habe sich im Mai 2022 nicht zum Dienst gemeldet, teilte die Justiz in der Region Baschkortostan im Südural mit. Die Polizei habe den Mann im September ausfindig gemacht.
  • Die blutigen Kämpfe um die ukrainische Stadt Soledar im Gebiet Donezk dauern nach Angaben aus Moskau und aus Kiew an. „Mehr als 100 Russen auf einmal sind im Gebiet Soledar in die Hölle geschickt worden“, teilte die ukrainische Militärführung mit. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Initiative Polens, seinem Land Leopard-Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen, freudig begrüßt. „Vielen Dank an Präsident Duda, die polnische Regierung und alle unsere polnischen Freunde“, sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. Mehr dazu hier.

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