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Siegesparade durch Bangkok: Pita Limjaroenra (42) von der Move-Forward-Partei soll Thailands neuer Premierminister werden.

© AFP/LILLIAN SUWANRUMPHA

Sieg der Demokraten: Gibt Thailands Militär seine Macht ab?

Thailand hat gewählt – und sich für mehr Demokratie entschieden. Die Mehrheit stimmte für die junge, fortschrittliche Move-Forward-Partei. Spannend bleibt es trotzdem in dem Land, das noch immer vom Putsch 2014 geprägt ist.

Thailand steht vor großen politischen Veränderungen: Die pro-demokratische Opposition hat die mit Spannung erwartete Parlamentswahl klar gewonnen – die Regierung des ehemaligen Generals Prayut Chan-o-cha (69) wurde krachend abgewählt.

Vor allem junge Wähler haben Analysten zufolge der progressiven Move-Forward-Partei (MFP) zum Sieg verholfen. Der nächste Ministerpräsident dürfte der 42-jährige Parteichef Pita Limjaroenrat werden – wenn das Militär seine Macht abgibt.

Wer ist der Wahlsieger?

Pita Limjaroenrat ist ein junger, charismatischer Mann, der in den USA unter anderem in Harvard studiert hat. Zurück in Thailand war er zunächst Geschäftsmann und leitete nach dem Tod seines Vaters das Familien-Unternehmen Agrifood, das Speiseöl aus Reis produziert.

„Vor vier Jahren wechselte er in die Politik und gewann einen Sitz im Parlament“, sagt der Thailand-Experte Moritz Kleine-Brockhoff dem Tagesspiegel. „Dort war er in der vergangenen Legislaturperiode einer der schärfsten Regierungskritiker. Das gab ihm Profil und trug bei zu seinem Erfolg bei der Parlamentswahl am Sonntag.“

Thailands konservatives Establishment hält die Ankündigungen der Move-Forward-Partei für radikal und inakzeptabel. Konflikte sind absehbar. 

Moritz Kleine-Brockhoff, Leiter des Regionalbüros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok

Wofür steht seine Partei?

Pitas Partei steht für einen grundlegenden Wandel des Königreichs. Sie will eine demokratischere Verfassung, die Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform des Artikels 112, der Majestätsbeleidigung mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft.

„Thailands konservatives Establishment hält die Ankündigungen der Move Forward für radikal und inakzeptabel. Konflikte sind absehbar. Offen ist, welche Form sie annehmen werden“, erklärt Kleine-Brockhoff, der das Regionalbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bangkok leitet.

151
Parlamentssitze hat die Move-Forward-Partei gewonnen.

Kann Pita eine Regierung bilden?

Move Forward hat 151 der 500 Parlamentssitze gewonnen. Auf Platz Zwei landete die Partei Pheu Thai mit 141 Sitzen. Zusammen gewannen sie 58 Prozent der Parlamentssitze und erreichten dadurch die Abwahl der aktuellen Regierung. Nun wollen sie eine Koalition eingehen. Die Spitzenkandidatin der Pheu Thai ist Paetongtarn Shinawatra.

Die 36-Jährige kommt aus einer milliardenschweren Politiker-Dynastie: Ihr Vater Thaksin Shinawatra und ihre Tante Yingluck Shinawatra waren in Thailand beide schon an der Macht; leben aber im Exil, nachdem sie bei Militärputschen gestürzt wurden.

Beide Oppositionsparteien gewannen insgesamt 58 Prozent der Parlamentssitze und sorgten so gemeinsam dafür, dass die aktuelle Regierung abgewählt wurde. „Sollte die Bildung einer neuen Regierung gelingen, wird Pheu Thai wichtige Posten besetzen und die künftige Politik mitgestalten wollen“, so Kleine-Brockhoff. „Thaksins Tochter und ihre Partei haben jedoch Wahlversprechen gemacht, die es in sich haben.“

Pita Limjaroenrat von der Move-Forward-Parte will Thailands neue Regierung bilden.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Andre Malerba

So sollen alle Thailänder ab einem Alter von 16 Jahren umgerechnet 270 Euro erhalten, die sie in einem Umkreis von vier Kilometern vom Wohnsitz ausgegeben werden, um die lokale Wirtschaft zu stärken. Doch die Umsetzbarkeit gilt als umstritten.

Die beiden Wahlsieger wollen zudem noch weitere, kleinere Parteien in ihre Koalition holen. Vor Journalisten gab sich Pita am Montag optimistisch: „Die Move Forward Party ist bereit, die nächste Regierung anzuführen, und ich bin bereit, neuer Ministerpräsident zu werden.“

Wird das Militär seine Macht abgeben?

Ob sich das Militär unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Prayut kampflos zurückzieht, bleibt abzuwarten. Nach dem Putsch von 2014 hatten die Generäle die Verfassung zu ihren Gunsten verändert: Zusammen mit den 500 neu gewählten Abgeordneten entscheiden auch 250 ungewählte, vom Militär ernannte Senatoren über den Regierungschef. Es gilt als fraglich, dass sie die Opposition unterstützen werden.

„Sollten alle Senatoren gegen Pita, den Sieger der Parlamentswahl, stimmen, dann wird er nicht Premier. Allerdings wäre das ein Schlag ins Gesicht der Wählerinnen und Wähler“, sagt Kleine-Brockhoff.

Sie machte große Wahlversprechen: Paetongtarn Shinawatra, die Spitzenkandidatin der Pheu Thai Partei, will mit der Move-Forward-Partei einen Koalition eingehen.

© AFP/MANAN VATSYAYANA

Aus diesem Grund gibt sich Oppositionsführer Pita siegessicher. „Es würde keinen Sinn ergeben, wenn sie sich gegen den Willen des Volkes stellen“, sagte der Wahlgewinner. „Die Zeit der Militärcoups ist vorbei.“ Das hoffen die meisten Thais, es wäre aber eine Neuheit: Seit den 1930er Jahren wurde bereits mehr als ein Dutzend Mal geputscht.

Doch auch der Move-Forward-Partei wurde in der Vergangenheit der Weg ins Parlament erschwert: „Bei der Wahl 2019 war sie als Future Forward bereits recht erfolgreich angetreten und dann aus fadenscheinigen Gründen per Gerichtsbeschluss aufgelöst worden“, so der Experte Kleine-Brockhoff. Ähnliches sei auch jetzt nicht auszuschließen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Innerhalb der nächsten sechs Wochen wird die Wahlkommission die Wahlergebnisse verifizieren und das amtliche Endergebnis bekannt geben. Dazu hat sie sechs Wochen Zeit. Dann kommt das neue Parlament zusammen und im Anschluss die Nationalversammlung, die den neuen Premierminister wählt. Dies wird im Juli erwartet.

„In der Zwischenzeit wollen die Move Forward, die Pheu Thai Partei und vier weitere, kleinere, bisherige Oppositionsparteien einen Koalitionsvertrag ausarbeiten“, sagt Kleine-Brockhoff. Das Bündnis hätte 309 der 500 Parlamentssitze. Zugleich sei damit zu rechnen, dass die Wahlverlierer sich zusammentun und einen eigenen Kandidaten für die Wahl des Premiers aufstellen. Zusammen mit den Stimmen aller Senatoren könnte es für eine Mehrheit reichen. „Allerdings ist kaum vorstellbar, wie so ein Premier, der keine Parlamentsmehrheit hätte, regieren könnte“, erklärt Kleine-Brockhoff.

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