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Blick in Alabamas Kammer für Hinrichtungen mit tödlicher Injektion in der Holman Correctional Facility (Justizvollzugsanstalt).

© picture alliance/dpa/AP

Menschenrechtler entsetzt: So soll die erste US-Hinrichtung mit Stickstoff ablaufen

Vor 35 Jahren mordete er, vergangenes Jahr scheiterte die Giftspritze: Diesen Donnerstag soll in den USA Kenneth E. Smith mit Stickstoffgas hingerichtet werden – einem noch nie erprobten Verfahren.

Eintausend US-Dollar: Dafür hat sich der damals 22-jährige Kenneth Eugene Smith im März 1988 auf einen Auftragsmord eingelassen. Wenig später war die Frau des Auftraggebers tot, ermordet in ihrem Haus an einer Landstraße im entlegenen Norden Alabamas. Smith und zwei Mittäter wurden gefasst – einer bekam eine lebenslange Haftstrafe, der andere starb 2010 durch die Giftspritze.

An diesem Donnerstag soll der heute 58-jährige Smith nun mit Stickstoffgas hingerichtet werden. Doch nie zuvor wurde ein Mensch dort oder im Rest der USA – vermutlich sogar weltweit – mittels sogenannter Stickstoffhypoxie hingerichtet Die von Menschenrechtlern scharf kritisierte Exekution durch Ersticken ist im Holman Gefängnis im republikanisch regierten US-Bundesstaat Alabama vorgesehen.

Menschenrechtler sind entsetzt. Sumit Bhattacharyya, USA-Experte bei Amnesty International in Deutschland, hat die geplante Exekution verurteilt. Damit werde ein Experiment an einem Menschen durchgeführt. Amnesty bezeichnete den Tod durch Ersticken als besonders grausame Hinrichtungsmethode. Dabei wird der Verurteilte gezwungen, Stickstoff statt Sauerstoff einzuatmen.

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Noch nie wurde eine Hinrichtung mit Stickstoff durchgeführt

Die US-Plattform www.themarshallproject.org, ein Fachdienst für Justizangelegenheiten, hat das Hinrichtungsprotokoll von Alabama online gestellt, freilich mit vielen Textschwärzungen. Die Henker würden dem gefesselten Smith eine mit einem Stickstoffschlauch verbundene Gesichtsmaske über Mund und Nase ziehen.

Kenneth Eugene Smith war 1988 an einem Auftragsmord beteiligt und wurde zum Tode verurteilt. 2022 scheiterte ein Hinrichtungsversuch: Der Henker konnte für die Giftspritze keine Vene finden.
Kenneth Eugene Smith war 1988 an einem Auftragsmord beteiligt und wurde zum Tode verurteilt. 2022 scheiterte ein Hinrichtungsversuch: Der Henker konnte für die Giftspritze keine Vene finden.

© Reuters/Alabama Doc

Ein geistlicher Berater darf im Hinrichtungsraum zugegen sein. Der Verurteilte darf ein letztes Wort sprechen, maximal zwei Minuten. Danach werde der Stickstofffluss eingeschaltet. Das Gas werde 15 Minuten fließen oder bis zu fünf Minuten, nachdem das EKG den Herzstillstand anzeigt. Ein Arzt werde den Todeszeitpunkt dokumentieren.

Anwälte wollen die Hinrichtung stoppen

Smiths Anwälte wollen die Hinrichtung stoppen. Als „grausame und ungewöhnliche Strafe“ sei diese verfassungswidrig. Bei einer Anhörung am vergangenen Freitag habe sich ein Berufungsgericht mit der Tauglichkeit der angeblich fest sitzenden Maske befasst, berichtete der Informationsdienst Courthouse News.

Ein Richter wollte von Alabamas Chef-Jurist Edmund LaCour wissen, was das Hinrichtungsteam tun würde, sollte Smith sich bei der Prozedur übergeben müssen. Man werde die Maske abnehmen, wären die Atemwege blockiert, und eine neue aufziehen, entgegnete LaCour.

Erst Elektrischer Stuhl, dann Giftspritze, nun Stickstoff

Über die Jahrzehnte haben Vollzugsbehörden Hinrichtungsmethoden geändert. 1982 wurde erstmals die Giftspritze eingesetzt. Diese sei angeblich humaner als der elektrische Stuhl. Gegenwärtig ist letale Injektion die bei Weitem gebräuchlichste Methode. Allerdings haben manche Bundesstaaten Probleme beim Ankauf der tödlichen Mittel. Bei mehreren Hinrichtungen ist es in vergangenen Jahren zu Problemen bei der Vollstreckung gekommen.

Manche Henker hatten Schwierigkeiten, bei Verurteilten eine passende Vene zu finden. Kenneth Smith sollte bereits im November 2022 hingerichtet werden. Die Justizbehörde von Alabama stoppte den Prozess, nachdem die Wärter eine Stunde lang keine Vene finden konnten.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren Hinrichtungsmethode

Menschenrechtsexperten warnen, bei der Hinrichtung mit Stickstoff könne es sich um Folter handeln. Dafür, dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, fehlen nach UN-Angaben wissenschaftliche Beweise. „Hier wird an einem Menschen ein Experiment durchgeführt“, mahnt Amnesty International in einer Mitteilung.

Dafür bin ich nicht bereit

Kenneth Eugene Smith, zum Tode verurteilt

Smith habe die ihm erlaubten 15 Minuten für einen Telefonanruf beim „Guardian“ genutzt, berichtete die britische Zeitung am Sonntag. Er sei von Albträumen geplagt, die davon handelten, in die Hinrichtungskammer zurückkehren zu müssen. „Dafür bin ich nicht bereit“, sagte er demnach. „Auf keinen Fall. Ich bin einfach nicht bereit.“

Aus Gerichtsdokumenten geht hervor, dass Smith nach dem ersten Hinrichtungsversuch eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert wurde. Dem Gefängnispersonal gelang es damals nicht, die Kanüle in seinen Arm zu legen. Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf einem Exekutionstisch lag, kam er wieder in seine Zelle.

Der Mord an Elizabeth Sennett

Der Mord an Elizabeth Sennett hatte Ende der 80er Jahre in Alabama großes Aufsehen erregt. Auftraggeber war laut Urteil Sennetts Ehemann, ein örtlich bekannter Pastor. Er sei hoch verschuldet gewesen und habe die Lebensversicherung seiner Ehefrau kassieren wollen. Laut Medienberichten hat sich der Pastor das Leben genommen.

Smiths Berufungsversuche dauern an. Erwartungsgemäß wird sich letztendlich das Oberste Gericht der USA mit der Sache befassen. In den USA sind im Jahr 2023 nach Angaben des Todesstrafen-Informationszentrums 24 Menschen hingerichtet worden, alle per Injektion. 27 der 50 Bundesstaaten sehen die Todesstrafe bei besonders schlimmen Mordfällen vor. (epd, dpa)

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