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Russische Soldaten am 11. August 2023 in der Ukraine.

© Imago/SNA/Evgeny Biyatov

Kriegseinsatz für Staatsbürgerschaft: Migranten in Russland sollen vor ihrer Einbürgerung offenbar in der Ukraine kämpfen

Bei der Rekrutierung für den Angriffskrieg in der Ukraine setzt Russland wohl auch auf Migranten. Einem Medienbericht zufolge lautet der Deal: Nur wer kämpft, wird eingebürgert.

Schon im Mai berichtete der britische Geheimdienst darüber, dass Russland gezielt Einwanderer aus Zentralasien für den Angriffskrieg in der Ukraine rekrutiere. Gelockt werden die Menschen demnach mit hohem Sold und der Aussicht auf ein Schnellverfahren zur Einbürgerung. Anwerber seien dazu in Moscheen und Immigrationszentren unterwegs. Doch offenbar geht Russland sogar noch weiter.

Nun gibt es Berichte von Migranten, die nahelegen, dass der Kampfeinsatz generell zur Bedingung für das Erlangen der russischen Staatsbürgerschaft gemacht werde. Die Menschenrechtsaktivistin Tatjana Kotljar hat gegenüber dem Online-Medium „7x7“ von fünf entsprechenden Fällen berichtet, wie auf dem Telegram-Kanal des unabhängigen russischen Magazins zu lesen ist. Angeblich betreffe es noch „viel mehr“ Migranten in der russischen Region Kaluga im Westen des europäischen Teils Russlands.

Wir werden wie Vieh behandelt.

Mann aus Tadschikistan

Verpflichtung zum Krieg in der Ukraine als Bedingung

Einem Mann aus Tadschikistan sei demnach von den russischen Behörden in Kaluga ein Vertrag vorgelegt worden, der ihn zum Einsatz in der Ukraine verpflichtet hätte. Aus gesundheitlichen Gründen sei er jedoch nicht zum Militärdienst geeignet und damit hätte sich die Einbürgerung von russischer Seite aus erledigt, wie „7x7“ berichtet. Der Mann habe dann Beschwerde eingelegt.

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„Nach seiner Beschwerde geriet er in Schwierigkeiten. Gegen ihn wurde ein Protokoll wegen eines Verstoßes erstellt, der nicht vorlag. Er sagte: ‚Wir werden hier nicht als Menschen betrachtet, wir werden wie Vieh behandelt.‘ Ich möchte kein Bürger dieses Landes sein“, zitiert „7x7“ einen Facebook-Post der Aktivistin Kotlyar.

Bei „7x7“ wird auch das Beispiel eines Mannes aus Usbekistan angeführt. Ihm zufolge habe der zuständige Mitarbeiter in der russischen Behörde nicht einmal einen Blick auf seine Dokumente geworfen und ihn sofort zum Einberufungsamt geschickt.

Ihm sei mitgeteilt worden, dass er einen Vertrag über die Teilnahme am Krieg in der Ukraine unterzeichnen müsse, der in Russland offiziell nur als „militärische Spezial-Operation“ bezeichnet wird. Erst danach würden seine Unterlagen geprüft werden, heißt es.

Dem zuletzt genannten Mann zufolge habe Russland die Anforderungen bei der Einbürgerung erst im April umgestellt. Im März dagegen hätten Migranten „ohne Probleme Pässe erhalten“.

Razzien gegen frisch eingebürgerte Menschen

Wie es bei „7x7“ außerdem heißt, seien im August in mehreren Regionen Russlands Razzien durchgeführt worden. Es seien Männer gesucht worden, die erst kürzlich die russische Staatsbürgerschaft erhalten hatten und noch nicht beim Militär registriert waren. Die Polizei vor Ort soll ihnen Vorladungen überreicht oder die Männer sofort zum Einberufungsamt gebracht haben.

Die Staatsbürgerschaft wird in Russland zuweilen als Druckmittel eingesetzt. Im April 2023 verabschiedete der russische Föderationsrat einen Gesetzesentwurf, der unter anderem den Entzug der Staatsbürgerschaft vorsieht, wenn Hochverrat begangen wurde, oder wenn Äußerungen gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine getätigt wurden.

Wie der von den USA finanzierte Auslandssender „Radio Free Europe/Radio Liberty“ berichtet, sei außerdem eine weitere Verschärfung des Gesetzes geplant, die speziell russische Bürger mit Migrationshintergrund treffe.

Der Sender zitiert Michail Matwejew, den stellvertretenden Vorsitzenden eines Ausschusses der Staatsduma, mit den folgenden Worten: „Wenn die Staatsbürgerschaft von einem Migranten erworben wurde, der sich dem Militär entzogen hat, so glaube ich, dass sie auch Mitgliedern seiner Familie entzogen werden sollte.“

Diese geplante Verschärfung und die Berichte der Migranten aus Zentralasien entsprechen dem bisher bekannten Bild der russischen Rekrutierungspolitik.

Russland rekrutiert sozial schwache Menschen

Anstatt eine Generalmobilmachung auszurufen, werden offenbar gezielt einkommensschwache Menschen dazu gedrängt, gegen die völkerrechtswidrig angegriffene Ukraine zu kämpfen. Schon 2022 wurde berichtet, dass überproportional viele Männer aus ärmeren Regionen Russland einberufen wurden.

Geld dürfte bei der Rekrutierung eine wichtige Rolle spielen. In seinem Geheimdienst-Bericht vom Dienstag berichtet das britische Verteidigungsministerium, dass der Sold eines Leutnants zu Beginn der Invasion rund 80.000 Rubel pro Monat (rund 770 Euro) betragen habe, inzwischen sollen aber sogar Soldaten unteren Rangs mehr als 200.000 Rubel (ca. 1900 Euro) verdienen. Der Militärdienst wird damit insbesondere für Menschen attraktiver, die wenig Geld besitzen.

Wie es im täglichen Geheimdienst-Update aus dem Vereinigten Königreich weiter heißt, verpasse Russland allerdings trotzdem seine Ziele bei der Rekrutierung.

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