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Yan Naing Htun, Quasi-Botschafter der demokratischen Diaspora Myanmars in Südkorea, steht vor einem Schild der Repräsentanz in Incheon.

© Felix Lill

„Ich bin sicher, dass wir gewinnen werden“: Myanmars Diaspora organisiert im Exil den bewaffneten Widerstand

Vor zwei Jahren putschte Myanmars Militär. Seitdem organisieren Demokraten im Ausland den Widerstand gegen die Junta. Zu Besuch bei der burmesischen Alternativbotschaft in Südkorea.

Als Yan Naing Htun hörte, dass Myanmars Militär ihn suchte, fühlte er sich geehrt. Der 52-jährige erinnert sich an den Tag im März 2021 und lacht laut auf: „Ich dachte mir: Was für eine Anerkennung! Sie fürchten sich also vor mir!“

Ein von der Armee kontrollierter TV-Sender hatte Fotos von ihm gezeigt und den freundlich aussehenden Typen zum Staatsfeind erklärt. Aus der Heimat sei er daraufhin von alten Freunden angerufen worden, sagt Yan Naing Htun. „Sie jubelten ins Telefon: ‚Gratuliere!‘“

Wenn man mit Yan Naing Htun ins Gespräch kommt, fällt es zuerst schwer zu glauben, dass dieser Mensch jemandem Schaden zufügen könnte. Er ist weder bedrohlich groß noch muskulös, sein das ganze Gesicht ausfüllendes Lächeln verliert er auch dann nicht, wenn es um dunkle Themen geht.

Andererseits ist offensichtlich, dass das burmesische Militär nicht gerade gut auf Yan Naing Htun zu sprechen ist: Er ist schließlich einer der wichtigsten Drahtzieher hinter dem längst bewaffneten Widerstand, der im südostasiatischen Land für Demokratie kämpft.

Seit sich vor zwei Jahren in Myanmar das Militär an die Macht putschte, herrscht in dem 54-Millionen-Land Bürgerkrieg. Auf zunächst friedliche Demonstrationen in Großstädten reagierten die Generäle mit Panzern und Maschinengewehren.

An die 3.000 Menschen sind bisher gestorben, rund 14.000 Personen sitzen hinter Gittern. Unterdessen hat die im November 2020 noch mit großer Mehrheit gewählte Nationale Liga für Demokratie (NLD) um die festgenommene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi eine Schattenregierung gebildet, die wie das Militär den Machtanspruch erhebt.

„Wir, nicht die vom Militär, vertreten das wahre Myanmar“

Der in Südkorea lebende Yan Naing Htun ist so etwas wie der Botschafter der Demokratiebewegung. „Von diesem Büro aus organisieren wir alles, was wir können, damit unsere Leute daheim den Krieg gewinnen und die Demokratie zurückbringen“, sagt er an einem Abend im zweiten Stock eines einfachen Gebäudes in Incheon, einer Stadt am Rande von Seoul. In einer kleinen Wohnung prangt an der Wand über einem Sofa das Schild: „Repräsentanz der Nationalen Einheitsregierung von Myanmar.“ Yan Naing Htun nickt. „Wir, nicht die vom Militär, vertreten das wahre Myanmar.“

Am 1. Februar 2021 ergriff das Militär die Macht. Noch im November zuvor hatte die Nationale Liga für Demokratie (NLD) um die inzwischen inhaftierte Aung San Suu Kyi eine große Mehrheit gewonnen.

© AFP/Stringer

Aus diplomatischer Perspektive liegt der Mann, der vor gut 30 Jahren als politischer Flüchtling nach Südkorea kam und seither vor allem in Fabriken gearbeitet hat, eindeutig falsch. Diese Quasi-Botschaft der Demokraten wird von südkoreanischen Offiziellen zwar geduldet, aber nicht anerkannt.

Ebenso ist die Lage in einer Handvoll anderer Staaten – darunter Tschechien und Frankreich –, in denen die burmesische Diaspora Repräsentanzen gegründet hat: Die offiziellen Botschaften, die dort von Staats wegen eingeladen sind und Visa für die Einreise nach Myanmar erteilen, stehen auf der Seite des Militärs.

Kurz nach dem Putsch waren wir noch überzeugt, nur friedlich zu protestieren. Aber das wurde bald unrealistisch.

Yan Naing Htun, Fabrikarbeiter und Quasi-Botschafter

Inoffiziell sieht die Sache anders aus. Aus diversen Ländern, in denen das Einkommensniveau höher ist als in Myanmar, organisiert die Diaspora seit nunmehr zwei Jahren wichtige Unterstützung für den Widerstand. „Die weltweit meiste Hilfe kommt von uns!“, sagt Soe Moe Thu, der Generalsekretär der Schattenbotschaft in Korea. Vor dem Putsch betrieb der 47-Jährige einen Laden mit südostasiatischen Produkten, nun konzentriert er sich auf die politische Arbeit.

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Die 30 Personen, die regelmäßig in der Dreizimmerwohnung in Incheon zusammentreffen, übersetzen nicht nur Artikel burmesischer Medien in verschiedene Sprachen und organisieren Proteste sowie Informationsveranstaltungen zur Lage in Myanmar. „Vor allem sammeln wir Geld“, erklärt Soe Moe Thu auf Koreanisch. Die rund 27.000 burmesischen Staatsbürger in Südkorea, die sich in politische Flüchtlinge und Gastarbeitende aufteilen, spenden kollektiv rund 100.000 US-Dollar pro Monat. Hinzu kommt entsprechende Unterstützung aus anderen Ländern.

Waffen und Training für die demokratische Armee

„Ein Großteil der Gelder fließt in humanitäre Unterstützung in der Heimat“, sagt Yan Naing Htun. Indem dort weite Teile der Bevölkerung streiken und Staatsunternehmen boykottieren, leidet die Volkswirtschaft zusätzlich. Die ökonomischen Schäden werden durch Spenden aus dem Ausland zumindest ein Stück weit aufgefangen. Allerdings werden damit auch, direkt oder indirekt, die Aktivitäten der demokratischen Armee unterstützt, die sich für den Widerstand gegründet hat. Trainings werden finanziert, Waffen auf dem Schwarzmarkt gekauft.

„Kurz nach dem Putsch waren wir noch überzeugt, nur friedlich zu protestieren“, sagt Yan Naing Htun. „Aber das wurde bald unrealistisch.“ Der Fabrikarbeiter und Quasi-Botschafter hält einen Sieg der Demokratiebewegung mittelfristig für erreichbar. „Ich bin sogar sicher, dass wir gewinnen werden.“ International sei das Militärregime weitgehend geächtet, und im Inland hält die Mehrheit der Menschen zur demokratischen Opposition – die in den letzten Monaten wiederholt vermeldete, Soldaten des Militärs getötet zu haben.

Um seine eigene Sicherheit macht sich Yan Naing Htun keine Sorgen. Er muss wieder lachen. „In Korea wird mir niemand Probleme machen.“ Erstens herrschten hier koreanische Gesetze. Und zweitens stünden die allermeisten Burmesinnen und Burmesen auf der Seite des Widerstands.

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