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Floridas Gouverneur Ron DeSantis bei einem Auftritt in Iowa.

© Reuters/Jonathan Ernst

„Ein territorialer Streit“: Warum die Kritik an der Ukraine-Hilfe Trump und DeSantis nutzen könnte

Trump und DeSantis hinterfragen die amerikanische Unterstützung für Kiew und bekommen scharfen Widerspruch aus ihrer republikanischen Partei. Das aber könnte ihnen im Wahlkampf helfen.

Ron DeSantis hat eine Lawine losgetreten. Der republikanische Gouverneur von Florida und mögliche Präsidentschaftsbewerber hat auf eine schriftliche Frage des rechten Fox-News-Talkers Tucker Carlson hin bestritten, dass die Verteidigung der Ukraine im nationalen Interesse Amerikas liegt.

Wörtlich sagte DeSantis: „Die USA haben viele wesentliche nationale Interessen – die Sicherheit unserer Grenzen, die Krise der Einsatzbereitschaft unseres Militärs, die Sicherheit und Unabhängigkeit unserer Energieversorgung, die Herausforderung durch die ökonomische, kulturelle und militärische Macht der chinesischen Kommunistischen Partei. Aber sich weiter in einen territorialen Streit zwischen der Ukraine und Russland einzumischen, gehört nicht dazu.“

Damit liegt DeSantis einmal mehr auf Linie von Ex-Präsident Donald Trump, der dieses Thema ebenfalls bereits als wahlkampftauglich identifiziert hat. Beide sprechen damit diejenigen an, die mit einem Krieg, der kein Ende zu nehmen scheint, immer weniger zu tun haben wollen. Und sie wollen das für sich nutzen.

Auf der anderen Seite hat DeSantis mit seinen Bemerkungen die Spaltung der Republikaner sichtbar gemacht. Denn auf seine Aussage kam sofort Widerspruch von diversen hochrangigen Parteikollegen, darunter einer Reihe potenzieller Präsidentschaftskandidaten.

Kritik von Pompeo, Haley und Pence

So schrieb Trumps ehemaliger Außenminister Mike Pompeo auf Twitter: „Der Ukraine dabei zu helfen, Putins Angriffskrieg zu beenden, liegt ganz sicher in unserem wesentlichen Interesse. Es ist das beste für unsere Wirtschaft und für unsere nationale Sicherheit. Ein Sieg Putins würde nur die CCP (die Kommunistische Partei Chinas; Anm. der Redaktion) ermutigen.“

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Nikki Haley, Trumps einstige UN-Botschafterin, hat wie auch der ehemalige Vizepräsident Mike Pence die Unterstützung der Ukraine ebenfalls als eine Schlacht bezeichnet, um die Freiheit zu verteidigen.

Die Trump-Kritikerin und ehemalige Kongressabgeordnete Liz Cheney äußerte sich in der „New York Times“ deutlich klarer: In der Ukraine gehe es nicht um einen „territorialen Streit“. „Das ukrainische Volk kämpft um seine Freiheit. Sich Putin zu ergeben und sich zu weigern, die Freiheit zu verteidigen, macht Amerika weniger sicher“, so Cheney. „Schwäche wirkt provozierend, und amerikanische Politiker, die sich für diese Art von Schwäche aussprechen, sind Putins stärkste Waffe.“

Putin begeht Kriegsverbrechen in industriellem Ausmaß.

Lindsey Graham, republikanischer Senator

Senator Lindsey Graham erklärte: „Wer behauptet, dass dies (der Krieg) unwichtig sei, sagt damit, dass Kriegsverbrechen unwichtig sind.“ Putin begehe „Kriegsverbrechen in industriellem Ausmaß“. Hier handele es sich um einen Versuch Putins, mit Waffengewalt die Grenzen Europas neu zu ziehen. „Die Neville-Chamberlain-Reaktion auf Aggressionen endet nie gut“, sagte Graham mit Blick auf die Appeasement-Politik des ehemaligen britischen Premierministers gegenüber Adolf Hitler.

Auch der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, der gerade wegen eines Sturzes ausfällt, und andere konservative Kongressmitglieder bezeichnen den Angriffskrieg Putins als Gefahr für die Nachkriegsordnung. Sie liegen damit näher an der Position der Biden-Regierung als an der des rechten Flügels ihrer Partei.

Mehrheit der Republikaner für Trump oder DeSantis

Das Problem ist nur: Trump und DeSantis kommen zusammen in der republikanischen Vorwahl 2024 Stand jetzt auf eine Zustimmung von mehr als 75 Prozent. Die Frage muss also lauten: Schadet DeSantis die Kritik der etablierten Republikaner oder nutzt sie ihm? Die Erinnerungen an Trumps überraschenden Erfolg 2016 sind noch frisch.

Ausschlaggebend ist dabei, wie weit verbreitet der isolationistische Impuls in der amerikanischen Gesellschaft und vor allem bei potenziellen Wählern der Republikanischen Partei ist. „Auf der rechten Seite des politischen Spektrums ist er stark ausgeprägt“, sagte der US-Autor Jacob Heilbrunn dem Tagesspiegel. Die Stimmung ähnele der vor dem Zweiten Weltkrieg in den 1930er Jahren. „Die Basis der Republikanischen Partei ist entschieden gegen Kriege, die ihrer Meinung nach nicht im nationalen Interesse Amerikas liegen. Deshalb sagen Donald Trump und andere, dass US-Präsident Joe Biden mit seiner Unterstützung für die Ukraine schlafwandlerisch in den Dritten Weltkrieg ziehe.“

Trump wird sich aus der Nato zurückziehen, wenn er Präsident ist.

Jacob Heilbrunn, Chefredakteur des Debattenmagazins „The National Interest“

Heilbrunn führt dieses Denken auf das Desaster des Irak-Kriegs zurück, der vor 20 Jahren unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush begann. Der rechte Flügel vergleiche die Euphorie, die im Irak herrschte, mit der Debatte über die Ukraine. „Anstatt zu versuchen, die Ukraine zu unterstützen, argumentieren sie, dass wir sie Russland überlassen sollten, weil sie Teil der legitimen russischen Interessensphäre sei.“

Trump und DeSantis versuchten also, zu den isolationistischen Traditionen der Republikaner vor dem Zweiten Weltkrieg zurückzukehren. „Wenn einer von ihnen Präsident wird, werden sie die Weltordnung völlig umkrempeln. Vor allem Trump wird sich aus der Nato und aus Asien zurückziehen“, so Heilbrunn, der Chefredakteur des Debattenmagazins „The National Interest“ ist.

„Dafür gibt es in der Republikanischen Partei großen Rückhalt. Die Menschen haben das Gefühl, dass Amerika sein Geld im Ausland verschwendet“, sagt Heilbrunn. „In einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit sollte es sich auf den Bau von Straßen und Brücken und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Amerika konzentrieren – nicht auf die Unterstützung eines Sozialhilfeempfängers in der Ukraine.“ Die Pro-Ukraine-Kräfte in der Republikanischen Partei seien auf dem Rückzug.

Das Thema, ist sich Heilbrunn sicher, werde Teil des Wahlkampfs 2024. Bidens Präsidentschaft werde unter anderem davon abhängen, ob die Unterstützung der Ukraine ein Erfolg oder ein Desaster werde. „Biden hat den Ukraine-Krieg als eine Art Kreuzzug für die Demokratie gegen die Autokratie dargestellt.“ Wenn die Ukraine im Frühjahr oder Sommer einige große Siege erringen könne, werde Biden recht behalten. Wenn der Krieg aber bis Herbst in einer Pattsituation ende, „wird ihm das politisch schaden“.

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