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Gesundheit: Falsche Wahl

Ein Urteil könnte die Unis zwingen, Aufnahmeregeln für NC-Fächer zu ändern

Unis dürfen ihre Studenten in Fächern mit einem bundesweiten Numerus Clausus (NC) nicht allein nach der Abidurchschnittsnote auswählen. Das Bayerische Verwaltungsgericht verpflichtete jetzt die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), acht Studienanfänger in Medizin zuzulassen, die die Uni zuvor wegen eines zu schlechten Notenschnitts abgewiesen hatte. Die Uni hatte die Abiturnote als alleiniges ungewichtetes Auswahlkriterium herangezogen. Ein Abiturschnitt eines Bremer oder Berliner Schülers hätte aber einen anderen Wert als der gleiche eines bayerischen Abiturienten, heißt es in dem Gerichtsurteil. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, diese Unterschiede nicht mehr zu berücksichtigen.

Das Urteil könnte bundesweite Folgen haben. Von einem „Präzedenzfall“ spricht man beim Berliner Wissenschaftssenat. Denn seit diesem Wintersemester können die Hochschulen in Fächern mit bundesweitem NC wie Medizin und Psychologie jetzt 60 statt vorher 25 Prozent der Bewerber selbst auswählen. Dabei verfahren aber zwei Drittel der Hochschulen wie die Münchner Uni. Sie vergeben ihre Studienplätze nach der ungewichteten Abiturnote – abweichend vom Verfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS).

Die ZVS hatte potenzielle Unterschiede bei der Qualität des Abiturs berücksichtigt – und berücksichtigt sie in der Abiturbestenquote noch immer, nach der die besten 20 Prozent eines Jahrgangs direkt einen Platz an ihrer Wunschuni bekommen: Die ZVS bildet für jedes Bundesland Quoten, die je nach Einwohner- und Bewerberzahl variieren. Ein Berliner konkurriert beim Notenschnitt so nur mit Berlinern, ein Bayer nur mit bayerischen Mitbewerbern. Zu diesem Verfahren hatten die Länder die ZVS im Staatsvertrag von 1972 verpflichtet. Sie wurden darin später vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Das Bundesverfassungsgericht argumentierte, dass die Länder und die Hochschulen bei Fächern mit einem bundesweiten NC besondere Maßnahmen ergreifen müssten, um die knappen Plätze gerecht zu verteilen. Ansonsten werde die freie Berufswahl von Jugendlichen eingeschränkt, die aber Artikel 12 des Grundgesetzes garantiere.

Hierauf stützt sich nun das bayerische Verwaltungsgericht. Von Gerechtigkeit könne keine Rede sein, wenn nur die ungewichteten Abiturnoten zum Vergleich herangezogen würden, heißt es in dem Urteil. Denn die Zensuren der Studienanfänger seien wegen der großen Leistungsunterschiede in den Bundesländern nicht bis auf ein Zehntel vergleichbar. „Das Zehntel ist jedoch in den Numerus Clausus-Studiengängen entscheidend“, schreiben die Richter in ihrem Urteil.

Die Uni müsse deshalb ein zusätzliches Kriterium berücksichtigen, wenn sie neue Studenten aufnimmt. Neben einer nach Länderschlüssel gewichteten Abiturnote könnten die Hochschulen auch Gespräche, Tests oder Schulnoten in wichtigen Fächern (wie Bio oder Chemie für Medizin) extra bewerten.

Die Universitäten haben lange für das Recht gekämpft, sich ihre Studierenden selbst aussuchen zu dürfen. Nun, da es ihnen bereits weitgehend gewährt wird, fühlen sich die Hochschulen jedoch überfordert. In den Massenfächern sei eine andere Auswahl als die mittels der Abiturnote organisatorisch „nicht handhabbar“, wie Bernd Huber, der Präsident der LMU sagt. In der Medizin gebe es tausende Bewerber. Allerdings gelingt es der Berliner Charité, die weit größere Bewerberzahlen zu bewältigen hat, auch andere Kriterien zu berücksichtigen.

Das Recht, Landesquoten für die Bewerberauswahl zu bilden, räumt das neue Berliner Hochschulzulassungsgesetz den Unis allerdings nicht ein. Gleichwohl sind die Berliner Unis ab 2007 verpflichtet, neben der Abiturnote mindestens ein zusätzliches Kriterium heranzuziehen. Es müssen sogar zwei zusätzliche Kriterien sein, wenn die Unis vorhaben, ein Gespräch mit den Bewerbern zu führen oder die Noten von Schulfächern stärker zu gewichten.

Das Gerichtsurteil könnte deutsche Unis dazu zwingen, schneller als bisher die Aufnahmeregeln zu ändern. Auf das Abitur ganz verzichten können sie nicht: Das Hochschulrahmengesetz legt fest, dass das Abitur eine „maßgebliche“ Rolle spielen muss. Die LMU will die Gerichtsentscheidung in der nächsthöheren Instanz anfechten.

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