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Edle Tropfen: Weine des Monats

Pfalz und Rheinhessen: Bernd Matthies kredenzt einen schlanken Grauburgunder und einen Spätburgunder.

PFALZ

Schlanker Grauburgunder – typisch für den Jahrgang 2008

Das Frühjahr ist die Zeit, da die Winzer Farbe bekennen müssen. Die jungen Weine, zumindest die einfacheren weißen, sind fertig, und jeder Kunde kann prüfen, ob die Prognosen aus der Lesezeit auch die Realität widerspiegeln. Die deutschen Winzer waren durchweg zufrieden mit dem Jahrgang, denn das eher durchwachsene Wetter brachte einen Weintypus zurück, den die Klimakatastrophiker schon totgesagt hatten: den eher schlanken, trockenen und eleganten, der mit dem Stichwort „Kabinett“ verbunden ist. 2008 war eher kühl und regnerisch, das dämpfte die Mostgewichte und damit auch den späteren Alkohol, und dennoch konnten sich die Aromen wegen der langen Vegetationsperiode voll ausbilden.

Das bekam gerade den weißen Burgundersorten, die spätestens seit dem überschätzten Monsterjahrgang 2003 immer breiter und süßlicher wurden und einen Verkostungssieg nach dem anderen einfuhren, ihre angestammte Rolle als Tischwein aber verloren. Ein schönes Beispiel für die aktuelle Wende ist unser 2008 Grauburgunder trocken des traditionsreichen Pfälzer Weinguts Reichsrat von Buhl: ein anpassungsfähiger, eleganter Essensbegleiter mit leichtfüßiger Finesse, ganz ohne Holzausbau, getragen von den sortentypischen Birnen- und Kräuteraromen, saftig und mineralisch. Das Gut, das nach einer Serie herausragender Rieslinge in den 90er Jahren sanft auf Talfahrt gegangen war, scheint sich unter dem neuen Besitzer Achim Niederberg wieder auf seine alten Tugenden zu besinnen. Die Flasche – Schraubverschluss ist auch hier längst Standard – kostet sehr günstige 8,50 Euro beim Weinladen Schmidt, Curtiusstr. 9, Lichterfelde, Oranienburger Str. 107, Wittenau, Reichsstr. 6 in Charlottenburg und Kollwitzstr. 50 in Prenzlauer Berg.

RHEINHESSEN

Spätburgunder – exklusiv für Berlin komponiert und abgefüllt

Die kleinen Weinhändler zählen garantiert nicht zu den Gewinnern der Wirtschaftskrise, denn sie erleben, dass jetzt selbst anspruchsvolle Stammkunden zur Schnäppchenjagd bei Aldi verschwinden. Also müssen sie, im Preiskampf chancenlos, auf ein verstärktes individuelles Profil setzen und hochwertige Weine in die Stadt schaffen, die es nicht an jeder Ecke gibt. Der Berliner Händler Rolf Paasburg hat im Frühjahr 2008 im Keller des rheinhessischen Top-Winzers Gerhard Gutzler 2006er Spätburgunder aus 51 Barrique-Fässern probiert – das Ziel der aufwendigen Aktion war eine eigene Cuvée, die nun in Berlin angekommen ist und besondere Aufmerksamkeit verdient. Sie heißt Pinot noir 627, ein erneuter Beweis für die lange vergessene Tatsache, dass die Spätburgunderrebe in Deutschland durchaus viel mehr als nur süßliche Dunkel-Roséweine bringen kann.

Gutzlers Gut steht im rheinhessischen Hügelland, das im letzten Jahrzehnt vor allem durch die Qualitätsexplosion beim Riesling Aufsehen erregte; aber fast alle Top-Erzeuger haben auch das Potenzial der Spätburgunderrebe erkannt, das gerade in problematischen Weißweinjahren wie 2006 zum Tragen kommt. Das Resultat ist in diesem Fall ein stämmiger, aber nicht breit oder plump wirkender Roter, bei dem Gutzler, dessen Händchen für den Barrique-Einsatz bekannt ist, sein ganzes Können zeigt. Die charakteristischen Waldbeerennoten werden durch die vanilligen Aromen gerösteten Holzes dezent gestützt, aber nicht überlagert.

Die im ersten Moment sanft schokoladige Fruchtfülle weicht beim Verkosten einer Reihe komplexer Aromen, und erst der leicht süßliche Nachhall richtet den Blick zurück auf Deutschland. Es dürfte kaum möglich sein, einen französischen Burgunder gleicher Qualität zu diesem Preis aufzutreiben: Die Flasche kostet 10,35 Euro bei Paasburgs Wein aus Leidenschaft auf dem Gewerbehof Fidicinstr. 3 in Kreuzberg. Bernd Matthies

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