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Ziehen die Generationen an einem Strang, kann Großes in Unternehmen geschehen.

© imago images

Millennials und Boomer in Unternehmen: Wie Reverse Coachings bei Generationskonflikten helfen können

Seit Jahren beobachtet Madeleine Kühne in verschiedenen Betrieben verhärtete Fronten zwischen Jüngeren und Älteren. Sie empfiehlt deshalb "Reverse Coachings".

Sie gelten als gut gebildet und kennen sich besser mit digitaler Technik aus als jede Generation vor ihnen. Aber ihnen wird auch nachgesagt, unentschlossen und ichbezogen zu sein, was ihnen den weniger schmeichelhaften Beinamen „Generation Me“ einbrachte. Die Rede ist von Millennials, also Menschen, die von 1981 bis zur Jahrtausendwende geboren wurden.

Millennials besetzen in Unternehmen zunehmend wichtige Positionen, treffen dabei aber auf Menschen älterer Generationen, die anders ticken als sie. Und das birgt Konfliktpotenzial. Zum einen ist da die Generation X, also Menschen die Mitte bis Ende der Sechziger Jahre bis 1980 geboren und bereits im Berufsleben etabliert sind. Zum anderen gibt es die sogenannten „Babyboomer“, die ihren Namen den geburtenstärksten Jahrgängen nach dem Zweiten Weltkrieg verdanken und die Unternehmen in absehbarer Zeit verlassen werden.

Zur Generation X gehört auch Madeleine Kühne. Sie ist Interim Managerin in der IT, Unternehmenscoach, Speakerin und Autorin. Seit vielen Jahren beobachtet sie in verschiedenen Betrieben Generationenkonflikte, vor allem in der IT-Branche. „Ich sehe bestens ausgebildete junge Menschen, die vollmotiviert in Unternehmen kommen, um dort etwas zu verändern“, sagt Kühne, „dort laufen sie aber gegen Wände.“

Vor allem zwischen Millennials und Boomern beobachtet sie verhärtete Fronten. Die Generation Z hingegen, die wiederum auf die Millenials folgt – also meist Praktikant*innen oder Auszubildende – seien noch nicht hinreichend im Arbeitsleben angekommen und dementsprechend weniger in Konflikte involviert.

Unterschiedliche Sozialisierung

Dass Boomer und Millennials einander nicht unvoreingenommen begegnen, liegt auch an Vorurteilen. Ältere Generationen, die nach wie vor die meisten Führungspositionen besetzen, würden als unflexibel wahrgenommen, sagt Kühne, als diejenigen, die „eigentlich möchten, dass alles so bleibt wie es ist“. Sie blickten auf ihre jüngeren Kolleg*innen herab. Millennials hingegen werde das Durchsetzungsvermögen abgesprochen. Sie würden als „fordernd und egoistisch“ gelten.

In diesem Zusammenhang hat sich vor zwei Jahren die Phrase „OK Boomer“ etabliert als Reaktion jüngerer Generationen auf abschätziges Verhalten der Babyboomer.

Der Riss, der sich durch die Generationen zieht, liegt Kühne maßgeblich an der unterschiedlichen Sozialisierung: Die Babyboomer hätten als geburtenstärkste Jahrgänge Deutschlands immer viel Konkurrenz gehabt. „Spaß und Arbeit wurden nie in Zusammenhang gebracht“, sagt Kühne, „denn Arbeit war einfach überlebensnotwendig.“

Seither hat sich allerdings viel geändert; viele Prozesse wurden automatisiert, Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit ins Zentrum der Debatten gerückt. Bei Millennials und der nachfolgenden Generation Z sehe die Situation deshalb ganz anders aus, meint Kühne. „Sie dürfen sich mit Sachen beschäftigen, die ihnen Spaß machen und in denen sie einen Sinn sehen. Das ist ein riesiger Luxus.“

Madeleine Kühne berät Unternehmensführungen bei Generationskonflikten.
Madeleine Kühne berät Unternehmensführungen bei Generationskonflikten.

© Sarah Vogel

Jüngere sollen ihr Wissen an Ältere weitergeben

Kühne findet außerdem, dass viele Vorurteile über Millennials und Babyboomer gar nicht stimmen, im Gegenteil: Millennials seien häufig „unfassbar gut ausgebildet“ und würden eine hohe Methoden- und Fachkompetenz aufweisen. Allerdings mangele es ihnen an Erfahrung. Boomer wiederum hätten zwar Erfahrung vorzuweisen, dafür aber weniger Fachkompetenz und Risikobereitschaft.

Genau dort sieht Kühne großes Potenzial für Unternehmen: In der Kombination aus reflektiertem Denken der Boomer und risikobereitem Mindset der Millennials. „Daraus kann ganz Großes entstehen.“

Damit das gelingt, müssten allerdings die bisher üblichen Führungshierarchien in Unternehmen unterbrochen werden. Kühne schlägt deshalb Reverse Coaching vor – „als Mittel, um beiden Generationen gerecht zu werden und Probleme von beiden Seiten zu betrachten.“

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Bisher war es üblich, dass ältere Mitarbeiter*innen die jüngeren Kolleg*innen coachen. Beim Reverse Coaching – das in Deutschland seit fünf Jahren angeboten wird – ist es genau umgekehrt: Da sollen Jüngere ihr Wissen an Ältere weitergeben. Idealerweise werden die Coachings von der Personalabteilung organisiert, sie wenden sich explizit an jüngere Mitarbeiter*innen, die freiwillig teilnehmen.

Altersdiskriminierung aufdecken

„Das Wichtigste ist, dass gerade erfahrene und ältere Mitarbeiter ihr Ego zurückstellen und zuhören“, sagt Kühne, „sodass man sich auf Augenhöhe begegnen kann.“ Sie empfiehlt Einzelgespräche, denn ihre Erfahrung habe gezeigt, dass viele Menschen in Gruppengesprächen aufgrund von Machthierarchien Angst hätten, ihre Äußerungen könnten ein schlechtes Licht auf sie werfen. „Wenn sich jemand öffnet, dann sollte er keine Angst vor Konsequenzen haben müssen.“

Die Gesprächsinhalte der Reverse Coachings sollen deshalb vertraulich bleiben und Mitarbeiter*innen für ihre Offenheit und Bereitschaft gelobt werden. Denn Kühne weiß: Wenn das Vertrauen stimmt, können „Dinge zutage kommen, die man im Alltag nie mitbekommen würde.“ Zum Beispiel könne Altersdiskriminierung oder fehlende Gleichberechtigung aufgedeckt werden.

Kühne selbst ist zwar Generation X, aber auch sie kennt das Gefühl, innerhalb eines Unternehmens auf Widerstand zu stoßen. Als junge Frau, die bereits mit 30 Jahren in einem männerdominierten Umfeld eine Führungsposition innehatte, habe sie sich immer „ihren eigenen Weg suchen“ müssen, erzählt sie. Das ist es auch, was sie Millennials mit auf den Weg geben möchte: „Seid mutig und sucht euch euren Weg. Irgendeinen Weg gibt es immer.“

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