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Panorama: Auf dem Schulweg wartete der Mörder

Die sechsjährige Malin wurde sexuell missbraucht – der Tatverdächtige in die Psychatrie eingewiesen

Die Hoffnung starb zuletzt. Noch am Donnerstag, am späten Vormittag, hatte sich die verzweifelte Mutter der kleinen Malin aus Zerbst mit einem Hinweis an die Polizei gewandt. Ihre Tochter fahre doch so unheimlich gerne Bahn, hatte sie gesagt. Vielleicht sei sie ja auf dem Weg vom Schulhort nach Hause von kindlicher Reiselust übermannt worden und in einen der Regionalzüge eingestiegen, die die Kleinstadt Zerbst mit Großstädten wie Dessau oder Magdeburg verbinden. Die Beamten des Zerbster Polizeireviers mochten der Theorie der Mutter nicht so recht glauben, dennoch wurde die Fahndung nach der Sechsjährigen, die in und um Zerbst bereits seit Mittwochabend lief, unverzüglich auf beide Städte ausgedehnt. Schon kurze Zeit später aber wurde die Fahndung insgesamt abgeblasen. Nach einem anonymen Telefonhinweis hatte die Polizei eine Wohnung in Zerbst durchsucht und dort die Leiche von Malin gefunden. Der 19-jährige Sohn der Wohnungsinhaberin wurde unter dringendem Tatverdacht festgenommen.

„Nachdem er in den Verhören, an denen auch ein Psychologe beteiligt war, ein in seinen Details erschreckendes Geständnis angelegt hatte, wurde Steve P. vom Haftrichter am zuständigen Amtsgericht Dessau am Nachmittag einstweilig in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen“, sagte Staatsanwalt Christian Heisener am gestrigen Freitag bei einer Pressekonferenz in Zerbst.

Steve P. gilt den Ermittlern schon jetzt, wenn überhaupt, als höchstens eingeschränkt schuldfähig. Der junge Hüne gilt als extrem lernbehindert, steht nach Ansicht des Psychologen in seiner geistigen Entwicklung auf dem Niveau eines Kleinkindes. Entsprechend schwierig gestalten sich die Vernehmungen, sagten Polizei und Staatsanwaltschaft gestern übereinstimmend. Bevor Steve P. dem Mädchen den Hals zugedrückt und es erwürgt hat, hat er es nach eigenen Angaben mehrfach sexuell missbraucht. Die Obduktion des Leichnams bestätigte gestern diese Angaben. Das Mädchen sei bereits am Mittwochabend missbraucht und ermordet worden.

Von Einwohnern wird der junge Mann als „auffällig“ beschrieben. „Der hat kleinen Mädchen immer so merkwürdig nachgeguckt“, sagt eine Frau, die in derselben Straße wohnt wie der mutmaßliche Täter. Vermutlich, so sehen es die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft, hat er so auch schon länger ein Auge auf die kleine Malin geworfen. Einer von drei möglichen Wegen des Mädchens vom Schulhort zum Elternhaus führt unmittelbar am Wohnhaus von Steve P. vorbei. Zweieinhalb Kilometer beträgt der Weg vom Schulhort über die Friedrich-Naumann-Straße, wo Steve P. wohnt, zum Wohnsitz der Familie von Malin. Auf diesem Weg, so glaubt Ermittlungsleiter Thomas Engel von der Polizei, ist Malin ihrem späteren Mörder bereits mehrfach begegnet. Sie muss ihn also schon gekannt haben. Vielleicht ist das Mädchen, das allgemein als aufgeweckt und zuverlässig beschrieben wird, dem jungen Mann nur deshalb in seine Wohnung gefolgt, weil es ihn bereits zu kennen meinte.

Wegen seiner offensichtlichen sexuellen Orientierung auf kleine Mädchen und weil er bereits Minderjährige zumindest verbal belästigt hatte, war Steve P. bereits in psychatrischer Behandlung.

Die Eltern und der Bruder des Mädchens werden durch die Polizei hermetisch von jeglicher Öffentlichkeit abgeschirmt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft stehen sie sowohl unter psychologischer wie auch unter seelsorgerischer Betreuung.

Die Hoffnung der Mutter starb zuletzt. Nein, Malin war nicht in einen Zug nach Magdeburg oder nach Dessau gestiegen. Sie wollte nach Hause, dorthin, wo eine Tagesmutter auf sie wartete, weil die Eltern bis in den Abend hinein arbeiten mussten. Auf dem Weg nach Hause begegnete sie ihrem Mörder.

Eberhard Löblich[Zerbst]

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