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Marie (Margarita Broich) taucht ab in Erinnerungen. 

© © Coin Film/Tom Trambow/Coin Film/Tom Trambow

Familiendrama: Film an den Vater

Im Film „Vatersland“ nimmt uns Margarita Broich als verhinderte Drehbuchautorin auf eine emotionale Reise zurück in die 50er und 60er Jahre.

Über die Beziehung der Fotografie zur Kunst, zum Bewusstsein, zur Realität allgemein sind schon viele kluge Gedanken gemacht worden, vor allem von Susan Sontag. Der Film „Vatersland“ (Arte, 13.9., 20.15 Uhr) rückt die Kamera, beziehungsweise deren Nutzung ins Licht der spießigen 50er und 60er Jahre. Hier hat der Familienvater den Fotoapparat stets dabei, um sich, seine Schein-Realität und seine aufmüpfigen Nächsten auf Distanz zu halten.

Wie seine eigenwillige Tochter Marie (Margarita Broich). „Wenn du durch eine Kamera schaust, kannst du den Anderen nie wirklich erleben“, sagt die erwachsene Frau, eine in einen Writer’s Block gerutschte Drehbuchautorin, die eines Morgens eine Kiste voller alter Fotos und Filmaufnahmen entdeckt, mit deren Hilfe sie nun ihre Kindheit und die Rolle ihres Vaters rekonstruiert.

Wenn du durch eine Kamera schaust, kannst du den Anderen nie wirklich erleben.

Marie (Margarita Broich) im Film „Vatersland“ zu ihrem Vater

Sie erinnert sich an ihr Aufwachsen im spießbürgerlichen Nachkriegsdeutschland. Das Mädchen Marie wird mit dem frühen Krebs-Tod ihrer Mutter und der völligen Überforderung ihres konservativen Vaters (Bernhard Schütz) konfrontiert. Dieser kann kein Verständnis für seine Tochter aufbringen, fotografiert sich im Italienurlaub die Welt schön und schiebt diese schließlich in ein katholisches Mädcheninternat ab.

Heile 50er Jahre Schlager-Welt, Adenauer und Aufbruch, Verklemmung und Pubertät, Apo, Mondlandung, Hippies, RAF – „Vatersland“ ist eine Zeitreise durch jüngere deutsche Geschichte,samt Vexierspiel mit verschiedenen Ichs der Protagonistin (Marie wird von vier Schauspielerin gespielt).

Wir reisen mit Marie durch eine Jugend, die geprägt ist von ständiger Rebellion gegen den Muff der Nachkriegsjahre und gegen eine Gesellschaft, die von Mädchen vor allem eines erwartet: hübsch in die Kamera lächeln und keinesfalls selbst Regie führen. Wenn hier einer die Kamera führen darf, dann nur der Vater.

Regisseurin Petra Seeger verarbeitet in ihrem ersten Spielfilm ihr Aufwachsen im männerdominierten Nachkriegsdeutschland. Die verwendeten Familienfotos und Filmaufnahmen stammen aus dem Privatarchiv der Regisseurin, dürften aber so manchem in der Zeit groß gewordenen Betrachter, der sich gegen den Vater oder gar das System aufgelehnt hat, aus der Seele sprechen. Wenn Familienkonflikte doch immer so harmonisch ausgehen könnten wie am Ende dieses sehenswerten Coming-of-age-Dramas.

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