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Sei bereit.  Andi (Milan Peschel) trainiert für künftige Auseinandersetzungen.

© ZDF und Tilo Hauke

Gelungene Comedy bei ZDFneo: Berlin vs. Brandenburg

Die ZDFneo-Serie „Doppelhaushälfte“ bietet Tempo, Slapstick und intelligenten Humor.

Raus aus Neukölln, rein in den Speckgürtel, in „ein schönes Häuschen mit 'nem Garten für relativ kleines Geld“. Theo (Benito Bause) und Mari (Maryam Zaree) träumen einen Kleinbürgertraum. Ungeachtet der Nörgeleien von Maris Tochter Zoe (Helena Yousefi), nehmen sie am Gartentor vor dem auserwählten Objekt in Brandenburg Aufstellung, nicht ahnend, dass der vermeintliche Makler bald ihr künftiger Nachbar sein wird. Eigentlich tendieren ihre Chancen gegen Null. Ex-Polizist Andi (Milan Peschel), der nebenan mit seiner Frau Tracy (Minh-Khai Phan-Thi) und dem gemeinsamen Sohn Rocco (Minh Hoang Ha) wohnt, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er die Familie Reimers als neue Eigentümer bevorzugen würde. Denn die sind so blond „wie in der Margarine-Werbung“, wie Andi wohlwollend bemerkt. Dass es in der ersten Folge der Comedyserie „Doppelhaushälfte“ natürlich doch anders kommt, ist dem Malheur geschuldet, das Andi zuvor auf der Toilette unterlaufen war.

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In einer Comedyserie kann es um Familie, Liebe und Freundschaft, um nachbarschaftliche Verwicklungen oder um das Chaos im Büro gehen. Aber immer geht es um Kommunikation, um die tausend Missverständnisse des menschlichen Zusammenlebens. Je größer die gegenseitige Unkenntnis, je ausgeprägter die Vorurteile und je unerschrockener die Serie mit vermeintlichen Tabus und Sprachverboten umgeht, desto lustiger wird’s.

 [ „Doppelhaushälfte“, ZDFneo, acht Teile, ab Dienstag 21 Uhr 45, jeweils dienstags zwei Folgen, sowie ein Jahr lang in der ZDF-Mediathek]

An Übertreibung, Tempo und Dialogwitz mangelt es der von Grimme-Preisträger Dennis Schanz („Skylines“) und Christoph Mushayija Rath geschriebenen (und teilweise auch inszenierten) Serie „Doppelhaushälfte“ nicht. Auch wenn nicht jede Episode gleichermaßen unterhaltsam gelingt: „Doppelhaushälfte“ verbindet intelligenten Witz und Slapstick, und keine der Hauptfiguren gerät derart lächerlich, dass man bei ihren Missgeschicken nicht mitfühlen könnte.

Geradezu fulminant gibt Milan Peschel den Ex-Polizisten Andi, der sich in alles einmischt und stets zu laut redet – der typische breitbeinige Männer-Typ, der nicht gerne an sich selbst zweifelt und zu dem der Sound des Großmaul-Berliners perfekt passt. Peschel spielt diese im Prinzip unsympathische Figur jedoch nicht als hasserfüllten Wut-, sondern als tragikomischen Kleinbürger, der als Polizist gescheitert ist und sich nun wenigstens als strenger Ordnungshüter in seinem privaten Reich aufpumpt. Obwohl ihm insbesondere Mari auf die Nerven geht, unterstützt Andi am Ende ihren Versuch, ein Festival zu organisieren.

Mari bemüht sich

Leider muss die stets um politisch korrekte Sprache bemühte Mari, die als Diversity-Managerin bei einem „großen Elektro-Automobilhersteller“ arbeitet (gemeint ist wohl Tesla), meistens mit der Rolle der Nervensäge vorlieb nehmen. Die stärkere Frauen-Figur ist Tracy, Tochter vietnamesischer Vertragsarbeiter in der DDR, die ebenfalls den nicht immer rücksichtsvollen Klartext der Vorstädte spricht und ihren Andi jederzeit im Griff hat. Minh-Khai Phan-Thi überrascht mit Berliner Dialekt und einem seelenruhigen Auftritt als schlagfertige Inhaberin eines Beautysalons.

Aber kann Rassismus eine brauchbare Quelle für Komik sein? Warum nicht, solange keine Witze auf Kosten der Opfer gemacht werden. Vielmehr nutzen Schanz und der in Ruanda geborene Rath die vorbildliche Vielfalt dieser Diversity-Comedy für kluge und komische Momente. Niemand kann hier seinen Vorurteilen entkommen. Tracy greift automatisch zum Baseballschläger, weil „ein Afrikaner“ (Rocco) vor der Tür steht. Auf ihr Schweigen reagiert der sympathische und stets um Ausgleich bemühte Musiklehrer Theo mit der Frage: „Verstehen Sie mich überhaupt?“ Thomas Gehringer

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