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Mutter mit Kind.

© Getty Images/SolStock

FDP und Elterngeld: Ein guter Vorschlag unter vielen schlechten

Der erste Monat ist der wichtigste im Leben eines Menschen. Deshalb ist es gut, wenn die FDP Anreize schaffen will, damit Väter in dieser Zeit zu Hause bleiben.

Sie habe alle Anzeichen einer postpartalen Depression gehabt, schreibt Britney Spears in ihren gerade erschienenen Memoiren: Traurigkeit, Angst, Erschöpfung. Dazu Verwirrung und die besessene Sorge um Sicherheit. Sie ist eine von vielen Stars, die ihre Wochenbettdepression thematisieren. Darunter Gwyneth Paltrow oder Adele, die deswegen lange kein zweites Kind bekommen wollte. In Deutschland erkranken etwa 15 Prozent der Mütter an einer postpartalen Depression. Unter dem sogenannten Baby Blues, also einer depressiven Verstimmung, leiden sogar bis zu 80 Prozent der Gebärenden.

Oft ist der Grund, dass Erstgebärende die hormonelle Wucht sowie Geburtsfolgen – Blutungen, Schmerzen, Verletzungen –unterschätzen. Zu den Gründen, warum sich der „Baby Blues“ zu einer Wochenbettdepression entwickeln kann, zählen aber auch fehlende Hilfe und Einsamkeit. Das Risiko, dass eine Mutter in Deutschland in den ersten Monaten nach der Geburt allein ist, ist enorm hoch.

Zwar könnten sich Väter direkt nach der Entbindung einen Monat Elternzeit nehmen, in der Realität verschwinden sie aber oft schnell wieder ins Büro. Manchmal auch auf Druck des Arbeitgebers, der erst ab 2024 laut eines neuen Gesetzes einen zweiwöchigen Urlaub genehmigen muss. Wenn keine Kitaplätze vorhanden sind, müssen Familien die Elternmonte auch wohlüberlegt einsetzen und können sie nicht parallel nehmen.

Der erste Monat ist der wichtigste im Leben eines Menschen

Nun will der Staat in genau dieser sensiblen Lebensphase Geld einsparen. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) schlägt vor, Familien mit einem Netto-Einkommen von mehr als 150.000 Euro das Elterngeld zu streichen. Die FDP, im Einsatz für Besserverdienende, will stattdessen, dass alle kürzer Elterngeld beziehen sollen, zwölf statt wie bisher 14 Monate. Daraufhin hagelte es zu Recht Kritik.

Was aber dabei nicht übersehen werden sollte, ist eine progressive Idee unter vielen schlechten, von der auch Geringverdiener profitieren: Die FDP will steuern, dass Väter den ersten Monat bei Mutter und Kind bleiben; unter anderem mit 500 Euro zusätzlich. Das soll die „gemeinsame Verantwortung für das Neugeborene stärken“, so die Argumentation der Partei.

Noch immer lassen viele Väter ihre Frauen nach der Geburt hängen, weil sie ihre kostbaren Vätermonate lieber für eine gemeinsame Wohnmobilreise aufsparen möchten. 

Saara von Alten, Tagesspiegel-Redakteurin

Der Vorschlag macht Sinn: Noch immer lassen viele Väter ihre Frauen nach der Geburt hängen, weil sie ihre kostbaren Vätermonate lieber für eine gemeinsame Wohnmobilreise oder andere Projekte aufsparen möchten – dann, wenn das Kind schon etwas älter und weniger anstrengend ist. Solche Väter bauen oft schlechter eine Bindung zu ihrem Säugling auf. Dann fremdelt das Baby im Arm bei Papa, was dazu führt, dass der sich nicht kümmern kann, obwohl er möchte.

Ein erster gemeinsamer Monat führt also nicht nur zu weniger postpartaler Depression, sondern auch zu einer langfristig gerechteren Aufteilung der Sorgearbeit. Die ersten Wochen sind außerdem die prägendsten im Leben eines Menschen. Wenn hier etwas schiefläuft, kann das Folgen für die psychische Gesundheit bis ins hohe Alter haben.

Der Gesetzgeber sollte also alles dafür tun, um Frauen und Neugeborene in dieser Lebensphase zu schützen. 500 Euro mehr können nur der Anfang sein.

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