zum Hauptinhalt
Ein Teilnehmer einer Demonstration der Bewegung Querdenken in Dresden 2020.

© dpa/Sebastian Willnow

Das große Jammern der Verschwörungsideologen : „Ich weiß nicht, wovon ich das alles bezahlen soll“

Sie wollten das „System stürzen“ und das Grundgesetz abschaffen. Mit all dem hat es nicht geklappt. Wie es der Szene der Coronaverharmloser nun ergeht.

Sie wollten eine „Massenbewegung“ werden. Manche wollten das „System stürzen“ und das Grundgesetz abschaffen. Mit all dem hat es nicht geklappt. Stattdessen plagen bekannte Coronaverharmloser und Impfgegner nun ganz andere Sorgen. Ein Überblick.


Die geflüchtete Ärztin

Gegen die Ärztin Carola Javid-Kistel, die wiederholt Verschwörungsmythen und Holocaustrelativierung verbreitete, laufen in Deutschland mehrere Verfahren. Deshalb lebt sie seit Ende Februar in Mexiko – nach eigener Angabe im „Zwangsexil“. In Deutschland muss sie sich wegen Ausstellens falscher Maskenbefreiungsatteste und Impfunfähigkeitsbescheinigungen verantworten, aber auch wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beamtenbeleidigung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Dafür drohen ihr bis zu fünf Jahre Haft sowie hohe Geldstrafen. Carola Javid-Kistel fordert eine Amnestie für sich und ihre Mitstreiter. Sie sagt: „Ich werde definitiv erst zurückkehren, wenn diese Generalamnestie erlassen wurde.”

Carola Javid-Kistel
Carola Javid-Kistel relativierte mehrfach den Holocaust.

© pa/dpa

In Mexiko wollte sie eigentlich ein „Heilkundeprojekt für Impfgeschädigte aus Deutschland“ aufbauen. Allerdings sei dieses Projekt nun gescheitert, weil ihre Freunde sie fallengelassen hätten. Gleichzeitig laufen ihre Kosten in Deutschland weiter, etwa die Miete für ihre Praxis sowie Tilgungsraten für ihr Haus. Ihr Strafverteidiger habe zudem eine Rechnung über fast 10.000 Euro gestellt.

In einem Video sagt Carola Javid-Kistel: „Ich weiß nicht, wovon ich das alles bezahlen soll.“ Ein bisschen Geld möchte sie nun einnehmen, indem sie online als „Seelenärztin” Interessierten einen „Energieausgleich” anbietet.


Der frustrierte Youtuber

Aktivist Uwe Loose, der sich in seinen Sendungen auf Youtube „Klardenker Uwe“ nennt, zieht eine bittere Bilanz über den Niedergang der Querdenker-Bewegung: Diese scheine „eine völlig isolierte Gruppe innerhalb der Gesellschaft zu sein“. Zwar werde auf Demos weiterhin „Wir sind das Volk“ skandiert, mit der Realität habe dies jedoch nichts zu tun: „Sie sind nicht das Volk, sondern eine winzig kleine Gruppe … und sie haben es geschafft, sich in zweieinhalb Jahren so zu positionieren, dass der Rest der Bevölkerung nichts mit ihnen zu tun haben will.“


Der Querdenker in Haft

Querdenken-Gründer Michael Ballweg wurde im Juni wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Betrug in Stuttgart festgenommen. Er soll seit Mai 2020 durch öffentliche Aufrufe Geld eingeworben haben und dabei über die beabsichtigte Verwendung getäuscht haben, sagt die Staatsanwaltschaft. Aktuell sitzt Ballweg weiter in U-Haft, seine Zeit dort verbringt er nach eigenen Angaben mit Meditation und Atemübungen. Einstige Mitstreiter kritisieren ihn scharf, werfen ihm etwa eine „Form von totalitärem Denken“ vor.


Der verurteilte Frauenarzt

Der Frauenarzt Ronald Weikl, auch bekannt als Ronny Weikl, galt als einer der Helden der Szene. Im November wurde er vom Landgericht Passau schuldig gesprochen wegen des „Ausstellens von unrichtigen Gesundheitszeugnissen in 24 Fällen“ – und zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr Haft sowie der Zahlung von 50.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen verurteilt.


Der geschrumpfte Ausschuss

Die vier Anwälte Antonia Fischer, Justus P. Hoffmann, Viviane Fischer und Reiner Fuellmich gründeten 2020 den selbsternannten „Corona-Ausschuss“ und schufen so eine Plattform für krude Verschwörungstheorien, die von Impfgegnern wie Coronaleugnern gefeiert wurde. Dann zerstritten sich die Mitglieder des Ausschusses, überzogen sich teilweise öffentlich mit Vorwürfen. Inzwischen werden die stundenlangen Streams nur noch von Viviane Fischer moderiert.

Die Ausschuss-Gründer Antonia Fischer, Viviane Fischer, Justus Hoffmann und Reiner Fuellmich (von links).

© imago images/Reiner Zensen


Die umstrittene Produktionsfirma

Die Firma Ovalmedia übertrug von Beginn an den Corona-Ausschuss und verbreitete etliche Verschwörungsmärchen. Dafür geriet Ovalmedia öffentlich in die Kritik. Robert Cibis, der Geschäftsführer von Ovalmedia, sagt, er habe inzwischen „100 Prozent meiner Kunden verloren“ und auch „keine Förderung mehr”. In den vergangenen zweieinhalb Jahren sei die Firma vor allem durch Spenden am Leben gehalten worden, insgesamt seien dies 180.000 Euro gewesen. Zuletzt hätten die Spenden jedoch deutlich nachgelassen. Seinen verbliebenen Angestellten und ihm gehe es jedoch nicht ums Geld. Robert Cibis sagt: „Wir arbeiten für die Sache.”


Die zerstrittene Kleinstpartei

Die Querdenker-Partei „Die Basis“ wollte 2021 in den Bundestag einziehen, Partei-Funktionäre prognostizierten einen Stimmenanteil von bis zu 20 Prozent. Mit Reiner Fuellmich gab es sogar einen „Kanzlerkandidaten“. Tatsächlich wurden es am Ende nur 1,4 Prozent der Zweitstimmen. Danach fiel die Partei durch heftige Führungsstreitigkeiten auf, mehrere Mitglieder des Bundesvorstands traten zurück.


Der ehemalige Bar-Besitzer

Sören Pohlen war der Besitzer der Cocktailbar „Scotch & Sofa“ in Prenzlauer Berg und verstieß im Januar 2021 während des Lockdowns absichtlich gegen die Pandemiemaßnahmen, als er seine Bar für Coronaverharmloser öffnete und die Verschwörungsideologen Reiner Fuellmich und Viviane Fischer einen Abend moderieren ließ, der offiziell die Gründung einer Partei zum Ziel hatte. Die Gäste trugen größtenteils keine Masken, Abstandsregeln wurden nicht eingehalten.

Die Provokation führte zu öffentlicher Empörung. Kurz darauf kündigte sein Vermieter ihm den Mietvertrag, die Gewerbe- und Schankerlaubnis wurde Sören Pohlen in Berlin auf Lebenszeit entzogen. Im März 2021 musste er sich im Zuge einer Insolvenz arbeitslos melden. Pohlen ist weiter in der Szene aktiv und beschimpft die Bundesrepublik als „faschistoiden Staat“.


Der Querdenker-Barde

Vor Corona kannte man den Musiker Lutz Graf-Ulbrich alias „Lüül“ als Teil der Band „17 Hippies“. Dann engagierte er sich bei der Querdenker-Partei „Die Basis“, warb auch auf deren Plakaten und trat bei Corona-Verharmlosern auf. Auf Telegram verbreitete er Inhalte von QAnon-Kanälen sowie den rechtsextremen „Freien Sachsen“.

Als Tagesspiegel-Redakteur Robert Klages über Lüüls Entwicklung berichtete, drohte ihm der Musiker mit dem Anwalt. Außerdem rief Lüüls Frau nachts den Redakteur an und drohte, sie wisse, wo er wohne. Die Hassposts auf Telegram hat Lüül zunächst bestritten, dann gelöscht und sich für den Hinweis bedankt. Aktuell verbreitet er dort allerdings wieder Inhalte von Verschwörungsideologen und dem extrem rechten Aktivisten Ignaz Bearth.

Lutz Graf-Ulbrich alias “Lüül“.

© imago/Votos-Roland Owsnitzki


Die Ärztin mit Berufsverbot

Die Weinheimer Ärztin Monika Jiang stellte während der Pandemie mutmaßlich 4247 falsche Maskenatteste aus. Deswegen verurteilte sie ein Gericht nun im Januar zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ohne Bewährung. Dazu verhängte es ein vorläufiges Berufsverbot und ordnete den Einzug von rund 28.000 Euro an. Monika Jiang soll Menschen bundesweit Atteste ausgestellt haben, ohne dass sie diese untersuchte, es seien auch keine Patientenakten angelegt worden. „Der Vorgang erinnert eher an einen Verkauf von Attesten als an eine medizinische Maßnahme“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Monika Jiang will in Berufung gehen. Die Staatsanwaltschaft allerdings auch: Sie fordert eine härtere Strafe.


Der einflussreiche Hetzer

Über Jahre verbreitete der auf die Philippinen ausgewanderte deutsche Verschwörungsideologe Oliver Janich Hass auf Telegram, fiel durch Gewaltfantasien und Aufrufe zu Morden an Politikern auf, der Verfassungsschutz attestierte ihm „verfassungsfeindliche Agitation“. In seinem Exil lebte er zusammen mit anderen Verschwörungsgläubigen in einem Auswanderer-Resort.

Im August 2022 wurde Oliver Janich von den philippinischen Behörden festgenommen und erst Mitte Januar 2023 aus der Abschiebehaft entlassen. Interviews möchte er nicht geben, da ihn nach eigener Aussage „ein falsch gesetztes Komma oder Anführungszeichen wieder ins Gefängnis bringen könnte“.


Die Reichsbürger-Chefin

Als „Generalbevollmächtigte der geeinten deutschen Völker und Stämme“ wollte Heike Werding von Berlin aus die Bundesrepublik abschaffen, hetzte gegen Juden und Migranten und behauptete, in der Corona-Impfung stecke die DNA von Tieren, um die Bevölkerung in Mensch-Tier-Mischwesen zu verwandeln. Um nach der Machtübernahme Unwillige aburteilen zu können, hatte ihre Gruppe bereits überall in Deutschland geheime Gerichte gegründet.

Heike Werding, 60, ist die Anführerin der Gruppe.
Heike Werding sitzt jetzt in Haft.

© Foto: imago images/Jürgen Ritter

Als der Bundesinnenminister die „Geeinten deutschen Völker und Stämme“ 2020 verbot, machte Werding einfach weiter. Mittlerweile sitzt sie im Gefängnis: Diesen November wurde sie zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt – wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot in Tateinheit mit Verwenden und Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und Missbrauchs von Berufsbezeichnungen.


Der Ex-Busfahrer

In der Szene wurde Thomas Brauner deutschlandweit bekannt, weil er als Busfahrer während einer Fahrt Kinder dazu aufforderte, ihre Masken abzusetzen. Seitdem gilt „Thomas, der Busfahrer“ als einer der Wortführer der Querdenker-Bewegung. Vor Gericht kam raus, dass er in der Vergangenheit bereits wegen mehrfachen Diebstahls, Sachbeschädigung, Erschleichung von Leistungen, versuchten Betrugs, Unterschlagung, Beleidigung, Steuerhinterziehung sowie Körperverletzung verurteilt worden war.

Diesen Dezember verurteilte ihn ein Amtsgericht nun zu 16 Monaten Haft auf Bewährung und 200 Sozialstunden – dieses Mal wegen Beleidigung, Hausfriedensbruchs sowie mehrerer Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz und der Vertraulichkeit des Wortes. Thomas Brauner will in Berufung gehen. Kurz darauf geriet er schon wieder in die Kritik.


Der ausgeladene DJ

Auf Demonstrationen tritt der Verschwörungsideologe Michael Bründel als „Captain Future” auf. Im November wurde er wegen Landfriedensbruchs und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu 140 Tagessätzen beziehungsweise insgesamt 2100 Euro Strafe verurteilt. Auch als DJ hat Michael Bründel Probleme: Als im Juni bekannt wurde, dass  er im Berliner KitKat-Club auflegen sollte, brach ein Proteststurm los. Bründel wurde wieder ausgeladen.


Der Aufgespürte

Seit 2021 hatte sich der Berliner Antisemit Attila Hildmann in der Türkei versteckt. Dann spürten ihn „Stern“-Journalisten gemeinsam mit Hobbydetektiven vor zwei Monaten in der Stadt Kartepe südöstlich von Istanbul auf. Anders als die Generalstaatsanwaltschaft lange behauptete, besitzt Hildmann lediglich die deutsche, nicht auch die türkische Staatsangehörigkeit. Obwohl er per internationalem Haftbefehl gesucht wird, wurde er noch immer nicht ausgeliefert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false