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Bayerns Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (l.) unterzeichnet 1946 mit seinem hessischen Kollegen Karl Geiler in München ein in der amerikanischen Zone geltendes Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus.

© picture-alliance/dpa/Bearbeitung: Tagesspiegel

Bayern vor der CSU-Dominanz: Vor 66 Jahren regierte die SPD den Freistaat

Strauß, Seehofer, Stoiber, Söder: Die CSU scheint in Bayern fast Staatspartei. Doch einst regierten hier Sozialdemokraten – bis 1957 SPD-Ministerpräsident Wilhelm Hoegner abtreten musste.

Seit 1957 wird Bayern durchgehend von der CSU regiert – und das meist allein. Nur zweimal nach 1945 saß ein Sozialdemokrat in der Münchner Staatskanzlei. Ein Rück- und Ausblick vor der Landtagswahl.

1 Rötliches Interregnum

Wirklich rot war Bayern politisch nie. Kurt Eisner, erst SPD, dann USPD, Anführer der Novemberrevolution 1918 in Bayern, war der erste Ministerpräsident des von ihm proklamierten Freistaats – und wurde 1919 ermordet. Ohnehin entwickelte sich Bayern nach der blutigen Niederschlagung der Räterepublik zum Sammelbecken konservativ-nationalistischer und nationalsozialistischer Kreise.

Nach 1945 hieß der erste Ministerpräsident, noch nicht vom Volk gewählt, dennoch Wilhelm Hoegner – und war Sozialdemokrat. Doch die erste Landtagswahl gewann die neu gegründete Christlich-Soziale Union (CSU) im Dezember 1946 mit absoluter Mehrheit.

Danach schaffte es die SPD in Bayern nur einmal, vor der CSU zu liegen: 1950 mit 28,0 Prozent zu 27,4 Prozent der Stimmen. Ministerpräsident wurde Wilhelm Hoegner allerdings erst 1954 wieder. Daraufhin wurde Bayern drei Jahre lang das einzige Mal ohne die CSU regiert. Die SPD hatte eine Viererkoalition gebildet – die heute vor 66 Jahren, am 8. Oktober 1957, zerbrach. Seitdem ist durchgehend die CSU an der Macht.

2 CSU-Abo auf die absolute Mehrheit

Von den 70 Jahren, die die CSU Bayern regiert hat, hatte sie 50 Jahre die absolute Mehrheit. Einige der zehn gewählten CSU-Ministerpräsidenten seit 1945 amtierten lange: Alfons Goppel 16 Jahre (1962–78), Edmund Stoiber 14 Jahre (1993–2007), Franz Josef Strauß (1978–88) und Horst Seehofer (2008–18) je zehn Jahre.

Hier sind Lederhose und Laptop eine Symbiose eingegangen.

Roman Herzog, ehemaliger Bundespräsident

Die eigentliche Leistung liegt aber darin, Bayern aus einem eher armen Agrarland zu einem Hochtechnologie-Standort gemacht zu haben. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog (CDU) gab mit einem einzigen Satz die Steilvorlage für politische Kampagnen: „Wäre ich nicht selbst Bayer, würde ich sagen: Hier sind Lederhose und Laptop eine Symbiose eingegangen.“ Vor allem Stoiber nutzte diese Metapher geschickt, um auszudrücken: Wir sind modern, erfolgreich und gleichzeitig traditionsbewusst.

Edmund Stoiber (rechts), hier 1980 neben Franz Josef Strauß, wurde 1993 Ministerpräsident. Als Unions-Kanzlerkandidat verlor er 2002 nur knapp gegen den Sozialdemokraten Gerhard Schröder.
Edmund Stoiber (rechts), hier 1980 neben Franz Josef Strauß, wurde 1993 Ministerpräsident. Als Unions-Kanzlerkandidat verlor er 2002 nur knapp gegen den Sozialdemokraten Gerhard Schröder.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Dahinter steckt auch ein Alleinvertretungsanspruch der CSU, den Stoiber so formulierte: „Wir haben schon immer Establishment und ‚Leberkäs-Etage‘ zugleich vertreten, weil wir als CSU den Anspruch verkörpern, Bayern zu verstehen.“ Wird Markus Söder dem gerecht?

3 Söders Sorgen

Kürzlich schwärmte der ehemalige CSU-Chef Stoiber über die großen Erfolge und absoluten Mehrheiten der Vergangenheit – in Anwesenheit von Söder. Kann der amtierende Ministerpräsident die schwächsten Wahlergebnisse der CSU-Geschichte einfahren und trotzdem erfolgreich sein? Könnte klappen, einfach deshalb, weil für die CSU schwache Resultate künftig normal sein werden.

Markus Söder (rechts) beäugt seinen Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern genau. Kostet der ihm bei der Landtagswahl trotz der Affäre um ein Nazi-Flugblatt wichtige Stimmen?
Markus Söder (rechts) beäugt seinen Vize Hubert Aiwanger von den Freien Wählern genau. Kostet der ihm bei der Landtagswahl trotz der Affäre um ein Nazi-Flugblatt wichtige Stimmen?

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Geschichte der blassen Wahlergebnisse hat schon 2008 unter Günther Beckstein begonnen. Damals zogen die unterschätzten Freien Wähler (FW) in den Landtag ein, und die CSU brauchte mit der FDP einen Koalitionspartner. Seit 2018 regieren die FW sogar mit der CSU.

Was diese besonders schmerzt: Die FW behaupten erfolgreich, die bayerische Seele viel besser zu verstehen als die CSU. Söder könnte bei der Wahl an diesem Sonntag sogar unter den 37,2 Prozent von 2018 landen.

Regieren wird er trotzdem. Wieder mit den FW zunächst, aber dann, 2028, vielleicht doch mal mit den Grünen. Nichts ist bei Söder ausgeschlossen. Und so könnte er auch ohne absolute Mehrheiten den langen Amtszeiten seiner Vorgänger sehr nahe kommen.

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