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Bahnbrechend: Vor 30 Jahren entstand die erste Webseite.

© picture alliance / CHROMORANGE

Digitale Revolution eines Massenmediums: Happy Birthday, World Wide Web!

Erst 30 Jahre alt und schon weltumspannend: Das Internet hat die Menschheit geprägt wie kaum eine andere Erfindung.

Von Elsa Koester

Wir schreiben das Jahr 1989, als der britische Informatiker Tim Berners-Lee seine Idee der Hyperlinks am Schweizer Kernforschungszentrum CERN vorstellt. Damals geht es Berners-Lee bloß darum, wissenschaftliche Texte nicht immer per E-Mail herumschicken zu müssen, sondern unabhängig von den einzelnen Computern an einem digitalen Ort zu verlinken: der Website. Nun feiern wir deren 30. Geburtstag. Am 30. April 1993 wurde das World Wide Web vom CERN freigegeben. Heute sprechen wir von einer digitalen Revolution.

Aber wann begann sie eigentlich genau, diese Revolution? „Das Internet gab es schon vor 1989 – also E-Mail-Systeme und Newsgroups, die für den Datenaustausch genutzt wurden“, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Professor Martin Emmer von der Freien Universität Berlin. „Aber erst in den 1990ern wurde das WWW zum Massenmedium.“

Von der Technik her sei das Netz kostenlos und frei zugänglich für alle gewesen – eigentlich. Dennoch habe es schon früh massenmedial funktioniert: „Kaum einer hat sich selbst eine Website gebastelt. Websites und die Server wurden letztlich von größeren Institutionen und Unternehmen bereitgestellt – zentral.“ Aber es breitete sich aus: In den 2000er-Jahren war mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands online. Auch im globalen Süden habe inzwischen fast jeder eine digitale Identität, wie in einigen Ländern Afrikas, wo man digital per Mobiltelefon zahle. „Aber so richtig partizipativ wurde das Netz erst mit den sozialen Medien“, erläutert Martin Emmer.

2003 ging Facebook online. Es folgten Twitter 2006, Whatsapp 2009, Instagram 2010. Zwischen dem außerirdisch piepsenden Modem, das versucht, sich mit dem Netz zu verbinden, und dem flüssigen Wechsel zwischen analoger und digitaler Identität beim Posting von Sprach-Messages, Videos und Fotos liegen 30 Jahre stetiger Weiterentwicklung. Nun stehen wir vor der nächsten großen Umwälzung: der Künstlichen Intelligenz (KI).

Mit KI kommerzialisiert sich das Netz weiter

„Was alles in KI investiert wird, hat ganz andere Dimensionen als die Website: Es sind gigantische Serverfarmen und Rechenzentren”, betont Martin Emmer. Damit kommerzialisiere sich das Netz weiter, fürchtet er. „Mittlerweile hat diese Plattformisierung wesentliche Teile des Internets quasi in Firmen-Vorgärten hinüber gezogen. Das ist ein Problem, weil viele der Dinge, die gesellschaftlich passieren, nur noch schwer beobachtbar sind.“ Wie kann eine Gesellschaft Regeln vereinbaren und durchsetzen, wenn ihr Sozialleben sich zunehmend dem Öffentlichen entzieht?

Das Team von Emmer, der auch Gründungsdirektor des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft ist, erforscht etwa, ob Hate Speech durch KI bekämpft werden könnte oder wie sich Desinformation verbreitet. „Diese Dynamiken sind schwer zu erforschen, wenn ein Großteil der Daten in Privatbesitz ist“, sagt Emmer.

Dennoch sieht er auch positive Entwicklungen. In den sozialen Medien sei die Kluft zwischen den Eliten und weniger privilegierten Menschen kleiner als in der analogen Gesellschaft. Auch politische Partizipation sei im Netz vielfältiger. Aber: „Die Hoffnung auf eine technische Lösung von gesellschaftlichen Spaltungen erfüllt sich meist nicht. Was in der Gesellschaft falsch läuft, das läuft auch im Netz falsch. Das wird vermutlich auch für die KI gelten.“ Insofern ist das WWW immer nur so alt, so unreif oder so weise wie wir alle. Happy Birthday!

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