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Weder Bus noch Bahn fahren am dritten Streiktag - auch nicht am Fehrbelliner Platz.

© Jörn Hasselmann

Streik in Berlin: Zwischen Verdi und der BVG liegen nur noch 10 Millionen Euro

Im Tarifstreit sind die Gewerkschafter von ihrer Forderung der 36,5-Stunden-Woche vorerst abgerückt. Am Donnerstag gehen die Verhandlungen weiter.

Am frühen Morgen des dritten Streiktages gab es Neuigkeiten. Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt und Verdi-Sprecher Andreas Splanemann bezifferten die Höhe ihrer Forderungen auf 100 Millionen Euro. Die BVG hat bekanntlich 90 Millionen geboten. "Es fehlen 10 Millionen", rechnete Splanemann vor. Das erste Angebot der BVG lag ursprünglich bei 60 Millionen Euro.

Von der zu Beginn des Streiks in den Mittelpunkt der Forderungen gerückten einheitlichen Arbeitszeit von 36,5 Stunden ist die Gewerkschaft abgerückt. "Darüber können wir uns in zwei, drei Jahren unterhalten", sagte Splanemann dem Tagesspiegel. Arndt und Splanemann waren um 6 Uhr früh zum Busbetriebshof Cicerostraße in Wilmersdorf gekommen. Zu der Nachricht, dass die Gewerkschaft von der Arbeitszeitverkürzung abrückt, hieß es seitens des Fahrgastverbandes Igeb: „Bei Verdi kehrt offenbar langsam Vernunft ein.“

Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der BVG

Derzeit gibt es bei der BVG eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft: Alle, die ab dem Jahr 2005 eingestellt wurden, müssen 39 Stunden arbeiten, dies betrifft mittlerweile die Hälfte der Belegschaft. Die Altbeschäftigten müssen nur 36,5 Stunden arbeiten. Die Arbeitnehmer hatten dies damals akzeptiert, da das Land Berlin gedroht hatte, die BVG zu verkaufen.

Es war die Zeit von Finanzsenator Thilo Sarrazin, die „Sparen, bis es quietscht“-Phase. Die S-Bahn, ein Tochter-Unternehmen der Deutschen Bahn, blieb von diesem Sparkurs verschont, deshalb verdienen Fahrer dort bislang deutlich mehr. Trotz des Gehaltsunterschieds seien im gesamten Jahr 2018 nur sieben BVG-Fahrer zur S-Bahn gewechselt.

Verhandlungen gehen am Donnerstag weiter

Den dritten Warnstreik verteidigte Verdi trotz der offensichtlichen Nähe zwischen Angebot und Forderung dennoch, "die Arbeitgeber hätten in den letzten Tagen ja noch drauflegen können", schließlich sei der Streik bereits am Donnerstagabend letzter Woche bekanntgegeben worden. "Der letzte Schritt ist offenbar der Schwerste", kommentierte Splanemann die verbliebene geringe Lücke von zehn Millionen Euro.

Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt (li.) besuchte am Montag früh um 6 Uhr streikende Busfahrer am Hof Cicerostraße

© Jörn Hasselmann

Die BVG hatte am Vormittag von der Summe 100 Millionen noch nichts gehört. Wie es im Unternehmen hieß, sind die Verdi-Forderungen bislang auf 120 Millionen beziffert worden, inklusive der Sozialversicherungsbeiträge seien das 150 Millionen. Die Verhandlungen gehen am Donnerstag weiter, sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken.

Der Streit um die Bezahlung der 14.600 BVG-Beschäftigten begann Ende letzten Jahres. Beim ersten Streik Mitte Februar wurden Busse, U- und Straßenbahnen acht Stunden lahmgelegt. Am 14. März blieben nur die Busse im Depot, dies hatte die Stadt kaum getroffen. Am Montagfrüh, zu Beginn des dritten Warnstreiks hatte Splanemann eingeräumt, dass "die Geduld in der Bevölkerung zu Ende gehen" könnte.

Einkommenssteigerung um 17 Prozent

Die BVG hält den dritten Streik "für völlig unangemessen". Die Arbeitgeberseite habe ein Angebot vorgelegt, "das vergleichbare Abschlüsse um ein Vielfaches übersteigt", wie es in einer Mitteilung des Arbeitgeberverbands KAV heißt. Alles zusammen wird ein Plus von 90 Millionen Euro pro Jahr geboten. Rückwirkend zum 1. Januar werden Einkommenssteigerungen von 17 Prozent geboten. Laut BVG sind dies im Schnitt monatlich 450 Euro brutto mehr Gehalt.

Fahrer sollen 520 Euro mehr bekommen. Nach Darstellung von Verdi sollen viele Berufsgruppen nur 300 Euro mehr bekommen, angeblich etwa 4500 Beschäftige. Die BVG ist zuletzt der Forderung der Gewerkschaft entgegengekommen und hat die unteren Lohngruppen stärker angehoben. Am Montag allerdings kritisierte Verdi-Verhandlungsführer Arndt, dass dies zu einer „Spaltung“ der Belegschaft führe.

Diese Meinungsänderung wiederum quittierte die BVG mit Fassungslosigkeit und Kopfschütteln. „Das hat Verdi doch selbst verlangt“, sagte Unternehmenssprecherin Petra Nelken. Beide Seiten sind sich einig, dass der Beruf des Fahrers bei der BVG bei der derzeitigen Bezahlung unattraktiv ist.

"Die Geduld der Kunden geht zu Ende"

Bekanntlich muss die BVG in diesem Jahr 1350 neue Mitarbeiter einstellen, davon 760 Fahrer, um Pensionierungen auszugleichen und mehr Fahrten anbieten zu können. Bei einer Wochenarbeitszeit von 36,5 Stunden für alle müsste die BVG weitere 500 Leute einstellen – was nicht machbar sei. Die BVG hatte nach dem zweiten Streik angeboten, die Arbeitszeit über mehrere Jahre gestaffelt allmählich zu senken. Davon war am Montag keine Rede mehr.

Die Gewerkschaft hat erkannt, dass die Zustimmung in der Bevölkerung schwinden werde, wenn es weitere Streiks gibt. „Die Geduld geht dann zu Ende“, weiß Splanemann. Letztlich seien Berlin und Deutschland aber „verwöhnt“, wenn es um Streiks gehe. In anderen Ländern seien Beschäftigte viel häufiger im Ausstand, sagte der Gewerkschaftssprecher.

Beide Seiten streuten am Montag neue Vorwürfe. Verdi kritisierte, dass der Finanzvorstand der BVG, Dirk Schulte, drei der vier Verhandlungen vorzeitig verlassen habe, mit wechselnden Begründungen. Verhandlungsführer Arndt warf der BVG „Taschenspielertricks“ vor.

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