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Mit dem Ausflugsdampfer MS „Schenkenland“  über den Teupitzer See.

© Espen Eichhöfer

Wie ein Wochenendurlaub: Eine Bootstour auf dem Teupitzer See in Brandenburg

„Keine Fahrt ist wie die andere“, sagt Stefan Kaubisch. Mit der MS „Schenkenland“ fährt er Passagiere über die Seen rund um Teupitz, wo schon Theodor Fontane glücklich war.

Die Ausflügler kommen – und Stefan Kaubisch setzt seine Kapitänsmütze auf. „Die trage ich immer zur Begrüßung und zur Verabschiedung der Gäste“, sagt er. Genau genommen ist Kaubisch Schiffsführer.

Kapitäne fahren ausschließlich auf hoher See, und wir wollen mit der MS „Schenkenland“ ja nur über Binnengewässer schippern. 150 Passagiere könnte die „Schenkenland“ transportieren, aber so viele haben sich an diesem Mittwoch nicht eingefunden. „Wir kommen selten an unsere Grenzen“, sagt der 45-Jährige.

Chef an Bord: Schiffsführer Stefan Kaubisch.

© Espen Eichhöfer

Teupitz versteckt sich ein bisschen im Dahme-Spreewald-Kreis. Hier beginnt die Tour, aber hier komme man eben nicht einfach vorbei, sagt Kaubisch. „Nach Teupitz muss man wollen, es liegt ja praktisch in einer Sackgasse.“

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Nur auf dem Wasser geht es weiter. Von einem See zum anderen kann man gleiten – bis zur Dahme. Zehn Seen hintereinander könnte man mit dem Schiff entdecken, die heutige Tour wird vier präsentieren.

Leinen los, um 11 Uhr verlässt die „Schenkenland“ den Anleger „Bohrs Brücke“. „Absolut pünktlich“, lobt eine Frau. Schon naht die freundliche Kellnerin und nimmt Bestellungen auf. Eisbecher werden geordert, für den Matrosengrog (Kakao mit Rum) ist es wohl zu früh – und zu warm. Ein Herr entscheidet: „Ach, bringen Sie mir ein Bierchen!“ Würstchen und Kartoffelsalat gibt’s später.

Ruhig und glatt liegt der Teupitz See da. So, wie ihn wohl auch Theodor Fontane Ende des 19. Jahrhunderts erlebt und in einem Feuilleton beschrieben hat. „Der Teupitz-See ist fast eine Meile lang und eine Viertelmeile breit, an einigen Stellen, wo er sich buchtet, auch breiter. Sein Wasser ist hellgrün, frisch und leichtflüssig; Hügel mit Feldern und Hecken fassen ihn ein, und außer der schmalen Halbinsel, die das ‚Schloß‘ trägt und sich bis tief in den See hinein erstreckt, schwimmen große und kleine Inseln auf der schönen Wasserfläche umher.“

Fontanes Schwärmerei dürfte dazu beigetragen haben, dass sich Teupitz bald zum beliebten Ausflugsziel der Berliner mauserte. Mehrere Seegaststätten entstanden, darunter das „Marwitz“, „Krügers Waldfrieden“ oder „Tornows Idyll“. Alles perdu. „Tornows Idyll“ besaß einen Aussichtsturm, sieben Liebeslauben und einen Saal für 300 Personen. Inzwischen ist das Ensemble zur Ruine verfallen.

Zu DDR-Zeiten blieb Teupitz eine Reise wert. Zwischen 1958 und 1989, sagt Ortschronist Lothar Tyb’l, habe es drei Mal in der Woche Fahrten von Berlin bis Teupitz gegeben. „Es war ein putzmunterer Schiffsverkehr.“ Viereinhalb Stunden vom Treptower Hafen bis Teupitz habe eine Tour gedauert. Solche Angebote gibt es nicht mehr. „So lange halten die Leute heute nicht mehr durch“, glaubt Tyb’l. „Sie müssen ja auch wieder zurück.“

Rundherum ist viel zu entdecken

1969 war der Schriftsteller Joachim Seyppel mit einem Dampfer der „Weißen Flotte“ auf der Strecke unterwegs und notierte: „Da wird in Zeitlosigkeit und Vergessen geschlemmt, und zwar zwischen Treptow und ‚Tornows Idyll‘, da lobe ich mir die Christliche Seefahrt und stelle sie noch über die Deutsche Reichsbahn – und zwischen diesen Polen, zwischen Bummelzügen und Dampfern, suche ich mein Glück.“

Von Teupitz kann man mit der MS „Schenkenland“ von einem See zum anderen gleiten.

© Espen Eichhöfer

Nun findet man das Glück mit der „Schenkenland“. So viel ist rundherum zu entdecken. Hier blitzt ein rotes Holzhaus aus dem Grün, dort ein taubenblaues. Zwei Paddler passieren in ihrem Boot, wir winken – und sie winken zurück. Ein Reiher verharrt stumm am Ufer, zwei Schwäne gleiten majestätisch vorüber, Möwen sitzen auf dicken Pfählen.

Auf einem Grundstück steht eine filmreife Hollywoodschaukel. Eine ältere Dame mit Badekappe schwimmt im See. Ein Angler im winzigen Boot versucht sein Glück. Beißen die Fische am Vormittag an? Er lacht und zuckt die Achseln. Vielleicht ist ihm das egal. Ein Campingplatz verbirgt sich halb hinter Bäumen. Wer hier zeltet, bekommt die romantische Badestelle gratis dazu.

Sylter könnte neidisch werden

Wir gleiten in den Schweriner See. An der Steuerbordseite liegen die herrlichen Anwesen auf der Halbinsel „Schweriner Horst“. Sylter könnten neidisch werden. Durch einen Kanal namens Mochgraben, 1749 gebaut, gelangen wir auf den Zemminsee. Es wird aufregend. Gleich drei Brücken unterfahren wir, die Autobahnbrücke der A13, die Rankenheimer Brücke und zuletzt die besonders tief gelegene Eisenbahnbrücke. „Achtung, Achtung“, warnt Schiffsführer Kaubisch die Passagiere an Deck: „unbedingt sitzenbleiben!“ Nix passiert. Wir gleiten über den Schulzensee und erspähen die Turmspitze der Kirche von Groß Köris. Aussteigen und den Ort erkunden? Keine Chance. Es ist ja eine Rundfahrt. Die „Schenkenland“ wendet und legt nach rund zwei Stunden wieder in Teupitz an.

Bei den besonders tief gelegenen Brücken heißt es: „Unbedingt sitzenbleiben!“

© Espen Eichhöfer

Die Sieben-Seenfahrt hätte uns bis nach Klein Köris geführt. Wir hätten zwischen Schulzensee und Großem Moddersee die Zugbrücke erleben können, die Fontane auf seinem Segelschiff „Sphinx“ so begeistert hatte. Oder wir hätten, binnen fünf Stunden, gleich zehn Seen erleben können, diesmal, wie es sich für echte Kreuzfahrer gehört, mit Landgang in Prieros.

Still und verträumt

Kaubischs Vater hatte nach der Wende in Teupitz Ausflugsfahrten mit einer Barkasse angeboten. Nur zwölf Personen fanden darauf Platz. 2008 stieg dann Sohn Stefan, gelernter Koch, ins Schiffsgeschäft ein. Seine „Schenkenland“ fährt mit Diesel. Stefan Kaubisch lobt den niedrigen Verbrauch, neun Liter pro Stunde, und den leisen Motor. Irgendwann wolle er auf Hybridbetrieb umstellen, aber noch „stecke diese Entwicklung in den Kinderschuhen“.

Ein schwermütiger Zauber liegt über der Gegend, gleichsam als habe der Flügel der Zeit hier seine Schwungkraft verloren ...

Anna Plothow, Schriftstellerin

Still und verträumt ist Teupitz geblieben. Das von Fontane gerühmte Schloss droht zu verfallen. Von 1990 bis 1993 war es „für touristische Zwecke“ noch geöffnet, weiß Ortschronist Tyb’l. 2005 wurde das Anwesen zwangsversteigert, ein österreichischer Immobilienmakler bekam den Zuschlag. Was dieser damit vorhabe, wisse man nicht. „In Teupitz“, so bedauert Tyb‘l, „sind die lohnenden Ziele alle verlustig gegangen“. Wie konnte das geschehen, bei dieser Lage?

Dieser Text stammt aus der neuen Ausgabe des Magazins „Tagesspiegel unterwegs Brandenburg“ (10,80 Euro). Auf 196 Seiten bietet das Heft jede Menge Tipps für Ausflüge, Wochenendtrips und Kurzurlaube.

© Tagesspiegel

1900 schrieb die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Anna Plothow: „Ein schwermütiger Zauber liegt über der Gegend, gleichsam als habe der Flügel der Zeit hier seine Schwungkraft verloren und breite sich schirmend gegen die Außenwelt über die wandellose Einsamkeit dieser Gefilde …“

Stefan Kaubisch ist zu beneiden. Oder wird es vielleicht langweilig, immer im selben Revier herumzuschippern? Er schüttelt vehement den Kopf. „Niemals“, sagt er, „keine Fahrt ist wie die andere“. Als wir ankommen, stehen die nächsten Gäste schon am Anleger. Können wir nicht einfach sitzenbleiben – und noch einmal losfahren? Eine Zwei-Stunden-Rundfahrt wirkt wie ein Wochenendurlaub. So entspannt – und den Kopf voll mit bunten Bildern.

Wie hatte Fontane geschrieben: „Überschlage ich meine eigene Reiserei, so komme ich zu dem Resultat, daß ich von solchen Spritzfahrten in die Nähe viel, viel mehr Anregung und Vergnügen und Gesundheit gehabt habe als von den großen Reisen, die sehr anstrengend und kostspielig sind ... In Teupitz und Wusterhausen aber bin ich immer glücklich gewesen.“

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