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Noch immer grosser Menschenandrang vor dem Türkischen Generalkonsulat in Berlin.

© imago/Uwe Steinert

Türkei-Wahl in Berlin: In der Hauptstadt können 101.000 Wahlberechtigte über Erdogan abstimmen

Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei: Rund 1,5 Millionen Deutsch-Türken können jetzt bundesweit ihre Stimme abgeben. Kann Erdogan auf gute Ergebnisse im Ausland zählen?

Wenn die Berliner Grundschullehrerin Esra Yavuz in diesen Tagen ihre Stimme für die Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei abgibt, dann in der Hoffnung auf einen Politikwechsel. „Ich wähle für die Menschen, die dort leben und auch für mich – die Türkei ist mein Land“, sagt die 41-Jährige. Die Deutsch-Türkin ist eine von rund 1,5 Millionen Wahlberechtigten, die bundesweit ab Donnerstag über Ab- oder Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mitentscheiden.

Am Esstisch der Familie Yavuz im Berliner Ortsteil Westend wird lebhaft über die Wahl diskutiert, die als größte Herausforderung der politischen Karriere Erdogans gilt. Nicht erst seit der Erdbebenkatastrophe im Februar muss er um seine Wiederwahl fürchten.

„Durch das Erdbeben wurden die Menschen wachgerüttelt und haben am eigenen Leib den Schmerz gespürt und gesehen, wie wichtig ein funktionierender Staat ist“, meint Esra Yavuz. Ein Teil ihrer Familie stammt aus der schwer zerstörten Stadt Antakya, in der viele Bewohner über schleppende Hilfe geklagt hatten.

Die religiös-konservativen Milieus sind in Deutschland überproportional vertreten.

Yunus Ulusoy, Zentrum für Türkeistudien

Nimmt man vergangene Abstimmungen als Beispiel, darf die AKP zumindest bei Wählern in Deutschland auf einen Erfolg hoffen. 2018 kam Erdogan hierzulande auf 64,8 Prozent – und insgesamt nur auf 52,6 Prozent. „Die religiös-konservativen Milieus sind in Deutschland überproportional vertreten und gut organisiert, was ihre Mobilisierung erleichtert“, sagt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen.

Das habe unter anderem mit der Arbeitsmigration seit den Sechzigerjahren zu tun, die vor allem aus dem ländlich geprägten anatolischen Kernland erfolgt sei – nicht aus Metropolen und Küstenregionen wie Istanbul, Ankara oder Izmir, wo säkulare und oppositionelle Milieus stark sind.

In den letzten Jahren wanderten jedoch viele Studierende, Fachkräfte und Oppositionelle ein – und das könne die Zusammensetzung der Wählerschaft zu Gunsten der Opposition verändern. „Dennoch dürfte das am hohen Zuspruch für Präsident Erdogan in Deutschland nur unmerklich etwas ändern“, glaubt Yunus Ulusoy. In den Moscheen seien AKP-Wählerschichten überrepräsentiert.

Diesmal könnte es gefährlich werden für Erdogan

Die Stimme der AKP geben, das kann Esra Yavuz nicht nachvollziehen. „Man sieht das ganze Unglück in der Türkei, lebt aber in einem demokratischen Land. Du hast alles hier, wählst in deinem Land aber eine quasi nicht-demokratische Partei.“ Auch ihr Ehemann Cagdas glaubt, dass es diesmal gefährlich werden kann für Erdogan.

Aber: Es sei nicht die erste „Schicksalswahl“ in der Türkei – und der Ausgang sei für viele Menschen trotz zunächst großer Hoffnungen meist doch eine Enttäuschung gewesen. „Mein Vater hat diese Hoffnung die letzten 50 Jahre gehabt. Ich glaube nicht, dass er noch erleben wird, dass die Türkei sich so entwickelt, wie er es sich immer wünschte.“

Weltweit größte türkische Community außerhalb der Türkei

Außerhalb der Türkei hat Deutschland die weltweit größte türkische Community vorzuweisen – mit rund drei Millionen Menschen. Unter den Bundesländern leben die meisten Türkischstämmigen in Nordrhein-Westfalen, wo nun gut 500.000 Menschen wahlberechtigt sind. In Berlin gibt es laut RBB-Recherchen es rund 101.000 Wahlberechtigte, in Brandenburg sind es rund 5.300. Zu den 26 im Bundesgebiet eingerichteten Wahllokalen gehört in Berlin das türkische Generalkonsulat in der Heerstraße in Berlin-Westend.

Öffentliche Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker sind drei Monate vor den Abstimmungen hierzulande nicht erlaubt. Für Privaträume gilt aber etwas anderes. Und auch die Sozialen Medien des Internets und das türkische Fernsehen spielen eine große Rolle im Wahlkampf. (dpa, Tsp)

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