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Adel berichtet (40): Stilles Pflaster

Stefan Stuckmann erzählt, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt.

Das war schon schockierend, wie wenig Hilfe man von den Kollegen erwarten kann, wenn es mitten in der Redaktion um Leben und Tod geht. Ich hatte beim Aufstehen schon extreme Kopfschmerzen und starke Schwindelgefühle, und dann stehe ich da mit meinem Jungdackel Taxi in der Redaktionskonferenz und will gerade erklären, welcher der 84 von uns getesteten Glühweinstände denn nun der beste ist, als ich mich plötzlich übergeben muss. Ich kann gerade noch den Fahrradhelm vom Volontär greifen – wer weiß, was sonst passiert wäre! Taxi hat kurz darauf weniger Glück – seine Arme sind halt so kurz – und versaut dem Chef seine nagelneue iPad-Hülle.

Dass wir beide die gleichen Symptome haben, ist natürlich kein Zufall: Klar, dass wir dem berüchtigten Glühweinvergifter zum Opfer gefallen sind, der auch dieses Jahr wieder sein Unwesen treibt! Doch statt das Naheliegendste zu machen – mich und Taxi für eine Titelstory zu interviewen und dann Innensenator Frank Henkel zu alarmieren –, reagieren die Kollegen wie? Mit Kopfschütteln! Unfassbar. Völlig überraschend hält immerhin der Volontär zu mir und gibt zu bedenken, dass ich möglicherweise auch von antiwestlichen ukrainischen Geheimdienstkreisen mit Polonium vergiftet worden sein könnte, weil ich doch letztens 40 Prozent Presserabatt auf Karten für den nächsten Kampf von Wladimir Klitschko bekommen habe. Doch als wir eine Stunde später in der Herrentoilette das Licht ausmachen, um zu schauen, ob wir im Dunkeln leuchten, atmen wir erleichtert auf: Alles beim Alten. Also doch nur der Glühweinvergifter. Dann brummt plötzlich mein iPhone: Natürlich, die Neueröffnung der sanierten Avus mit Wowereit und Verkehrsminister Ramsauer!

Als wir 30 Minuten später vom Stadtring kommend mit meinem Kickboard auf die Avus einfahren, sind wir eigentlich schon zu spät, aber ich sag Ihnen: Dieser neue Flüsterasphalt – ein Traum! Extrem laufruhig, ein pfeilschnelles Dahingleiten – und quasi geräuschlos. Vor lauter Staunen haben wir dann vergessen, rechtzeitig zu bremsen, und wenn Taxi nicht blitzschnell geschaltet und mit einem kräftigen Biss das schwarz-rot-goldene Seidenband zerteilt hätte – das hätte schlimm ausgehen können! Dummerweise tragen uns sofort die Personenschützer weg, bevor ich Wowereit meine sorgfältig vorbereitete Enthüllungsfrage stellen kann: Wenn dieser Flüsterasphalt wirklich so toll ist, wieso hat man dann nicht die BER-Landebahn damit gebaut?

Hochachtungsvoll,

Ihr

Cedric

Stefan Stuckmann

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