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Volodymyr Kororbov, frührer Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen, fotografiert von seinem Nachbarn in Kiev.

© privat

Update

Volodymyr Kororbov braucht Verpflegung und Medikamente: Sachsenhausen-Komitee nimmt Spenden für ehemaligen KZ-Häftling in Kiew an

Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle konnte den 96-jährigen Volodymyr Kororbov in Kiew ausfindig machen. Er ist am Leben – doch er braucht Hilfe.

Die Gedenkstätte Sachsenhausen hatte jeden Kontakt zu dem früheren KZ-Häftling Volodymyr Kororbov aus Kiew verloren. Aber in den Wirren des russischen Angriffskriegs konnte nun doch Kontakt hergestellt werden zu dem 96-Jährigen und seiner Familie.

Das Wichtigste: Kororbov ist am Leben. Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) konnte über eigene Kontakte in der ukrainischen Hauptstadt den Mann ausfindig machen und eine Verbindung zu seiner Familie herstellen.

Kororbov ist bei seiner Tochter untergekommen. Klar ist aber schon jetzt: Für seine Verpflegung und die nötigen Medikamente braucht er bis zu 300 Euro im Monat. Wie er mitten im Krieg an die Medikamente kommen soll, ist nach Aussagen der Familie gegenüber einer Kontaktfrau der Kulturministerin aber völlig unklar.

Anlass für das persönliche Eingreifen von Schüle, die auch Vorsitzende des Rats der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ist, war ein Tagesspiegel-Bericht über das Schicksal des früheren KZ-Häftlings [die ganze Geschichte lesen Sie hier bei Tagesspiegel Plus]. Kororbov wollte noch einmal an den Ort seines Leidens zurück. Nach Sachsenhausen, wo die Nazis ihn eineinhalb Jahre ins Konzentrationslager eingesperrt hatten. Jetzt benötigt Kororbov Hilfe – raus aus Kiew will er nicht mehr. Geholfen werden kann ihm dennoch.

Ein Nachbar schrieb der Gedenkstätte

Im vergangenen Jahr hatte sich ein Mann bei der Gedenkstätte gemeldet, der sich als Nachbar ausgab. Per E-Mail schrieb er, dass Volodymyr Kororbov, Jahrgang 1926, gern noch einmal den Ort seines Leidens besuchen wolle. Seit der Befreiung 1945 sei er nicht mehr dort gewesen. Der Nachbar schrieb, Kororbov sei noch rüstig und erinnere sich noch sehr genau an seine Haft im KZ.

Auch deshalb bemühte sich die Gedenkstätte, nach Russlands Angriff auf die Ukraine Kontakt zu Kororbov herzustellen. Denn am 1. Mai will die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten in den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück den 77. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager begehen.

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Der besondere 75. Jahrestag musste 2020 wegen der Corona-Pandemie ins Digitale verlegt werden, auch die Feiern im Jahr darauf fielen aus. Die wenigen noch lebenden Menschen, die das KZ überstanden haben, konnten nicht noch einmal zurück an den Ort des Schreckens. Nach zwei Jahren Pandemie will die Stiftung nun endlich wieder Überlebende einladen.

Denn es werden immer weniger, die von dem Leid der Opfer und den Verbrechen der Nazis selbst berichten können. Die Zeitzeugen sterben aus. Unter jenen, die von der Gedenkstätte eingeladen werden sollen, sind auch zwei frühere Häftlinge aus der Ukraine.

Inhaftierung im KZ als Strafaktion

Die Gedenkstätte hatte die von Kororbovs Nachbar übermittelten Angaben wie etwa die Häftlingsnummer überprüft. Alles stimmte mit dem überein, was in den KZ-Akten der SS stand. Kororbov war damals in Schwerin, die Nazis hatten ihn dorthin zur Zwangsarbeit gebracht. Doch die Gestapo nahm ihn am 19. Oktober 1943 fest – offenbar, so vermuten es die Historiker der Gedenkstätte, wegen eines möglichen Fehlverhaltens. Die Inhaftierung im KZ Sachsenhausen war vermutlich eine Strafaktion.

Im KZ registrierte die SS den Ukrainer Kororbov mit der Häftlingsnummer 72276. „Er gehörte damit zu der großen Gruppe jugendlicher Ukrainer, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt und wegen geringer Vergehen ins KZ eingewiesen wurden“, sagt ein Sprecher der Gedenkstätte.

Nach Angaben der Familie war auch die Frau von Kororbov von den Nazis in Deutschland inhaftiert worden – im Konzentrationslager Ravensbrück. Beide haben sich den Angaben zufolge nach der Befreiung in Deutschland kennengelernt, als sie auf die Heimreise in die Ukraine vorbereitet worden waren.

„Als wir am Sonntag seinen Nachbar telefonisch erreichten, befand sich dieser bereits in Polen“

Nach dem Angriffs Russlands auf die Ukraine im Februar, haben die Mitarbeiter der Gedenkstätte Sachsenhausen versucht, Kororbov zu finden. Sie erreichten jenen Nachbarn, der im vergangenen Jahr den Wunsch des alten Mannes übermittelt hatte, den Ort des Schreckens seiner Jugend noch einmal zu sehen.

„Als wir am Sonntag seinen Nachbar telefonisch erreichten, befand sich dieser bereits in Polen“, hatte der Sprecher der Gedenkstätte in der vergangenen Woche gesagt. Der Nachbar war inzwischen selbst auf der Flucht vor dem Krieg – vor den Raketen, die Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Ukrainer schießen lässt.

Volodymyr Kororbov, so hat es der Nachbar den Mitarbeitern der Gedenkstätte Sachsenhausen am Telefon erzählt, lebe am östlichen Ufer des Dnepr in Kiew. Dort sei die Lage durch die Angriffe der Russen besonders dramatisch. Der alte Mann sei bei seiner Familie und „muss nun wieder den Krieg erleben“, sagte der Nachbar am Telefon.

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Durch die Kontakte der Brandenburger Kulturminister Manja Schüle ist nun klar: Kororbov ist bei seiner Tochter, seine Enkel sind in der Nähe. Raus aus Kiew will er nicht mehr, die Strapazen einer Flucht will er sich in seinem Alter wohl nicht mehr antun – auch wenn die Einschläge des russischen Angriffs immer näher kommen.

Über die Kontakte von Kulturministerin Schüle ist dem Tagesspiegel auch eine Bankverbindung des Enkels übermittelt worden. Manja Schüle und der Tagesspiegel haben die Echtheit, so gut es geht, verifiziert. Dazu gehören ein Foto des Passes des Enkelsohns von Volodymyr Kororbov sowie ein Familienfoto, auf dem Kororbov, dessen verstorbene Frau, die gemeinsame Tochter und der Enkelsohn zu sehen sind.

Das Sachsenhausen-Komitee hat sich bereit erklärt, Spenden für Volodymy Kororbov entgegenzunehmen und an seinen Enkel zu übermitteln. Nach Darstellung der Familie benötigt der 96-Jährige pro Monat etwa 200 bis 300 Euro für Medikamente und Verpflegung.

Spenden für Volodymyr Kororbov nimmt das Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V. unter folgender Bankverbindung entgegen: IBAN DE 4510 0500 0017 9397 5929 (BIC: BELADEBEXXX), bitte geben Sie als Verwendungszweck „Hilfe für ehem. Ukraine-Häftling Kororbov“ an.

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