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Verkehr: S-Bahn wäre wirtschaftlich, aber fahren soll sie nicht

Die Strecke von Spandau nach Falkensee würde 45,6 Millionen Euro kosten Ein Gutachten fällt positiv aus - doch die Entscheidung wird wieder vertagt.

Lange haben Anwohner und Politiker auf das Gutachten zur S-Bahn nach Falkensee gewartet. Nun ist es da – und es tut sich nichts. Obwohl das Gutachten zu dem Schluss gekommen ist, dass es sich gesamtwirtschaftlich lohnen würde, die S-Bahn von Spandau bis Falkensee zu verlängern, soll die Planung nicht vorangetrieben, sondern weiter vor sich hergeschoben werden – auf unabsehbare Zeit.

Seit Jahren tobt ein heftiger Streit unter den Anwohnern im Havelland. Die eine Seite fordert die S-Bahn, andere dagegen wollen den bisherigen Regionalverkehr behalten, weil dessen Züge schneller sind als die S-Bahn, die zudem häufiger hält. Neu hinzu kämen bei der S-Bahn in Berlin die beiden Stationen Nauener Straße und Hackbuschstraße; zudem würden die S-Bahn-Züge wie heute Regionalbahnen in Albrechtshof und Seegefeld halten.

Obwohl der Bund zugesagt hatte, bei einem positiven Wert im Gutachten den Bau der S-Bahn zu finanzieren, hat die Bundesregierung jetzt nach Angaben von Verkehrsplaner Friedemann Kunst aus der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung einen Rückzieher gemacht. Dummerweise profitiert nämlich fast nur Berlin vom Weiterbau der S-Bahn bis zur Stadtgrenze, in Brandenburg dagegen würde die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene leicht zurückgehen, weil sich das Angebot der Regionalbahn verschlechtern würde und nicht alle bisherigen Nutzer auf die S-Bahn umsteigen würden.

Wer heute aus Nauen, Brieselang oder Finkenkrug mit dem Regionalzug nach Berlin fahren will, kann mindestens bis zum Bahnhof Charlottenburg sitzen bleiben. Fährt die S-Bahn dagegen bis Falkensee, müssten die Havelländer bei den meisten Verbindungen dort in die S-Bahn umsteigen; nur in den Hauptverkehrszeiten würde die Linie RB 10 weiter bis Charlottenburg fahren.

Auf Berliner Stadtgebiet dagegen bringt eine verlängerte S-Bahn viele neue Kunden, weil es dann mit den Stationen Nauener Straße und Hackbuschstraße zwei neue Bahnhöfe geben würde. Hier rauschen die Regionalzüge bisher vorbei. Insgesamt hat die Kosten-Nutzen-Untersuchung, die vor wenigen Wochen erstellt wurde, einen Wert von 1,31 ergeben. Förderungswürdig durch den Bund sind Projekte, bei denen der Wert höher ist als 1, weil dann – in Geld ausgedrückt – der Nutzen die Kosten übersteigt.

Trotzdem wolle der Bund den Bau der S-Bahn immer noch nicht fördern, sagte Verkehrsplaner Kunst. Der Bund sei der Ansicht, er könne kein Geld ausgeben, wenn die Menschen davon unterschiedlich profitieren – mit Vorteilen in Berlin und Nachteilen in Brandenburg.

Nach der Wende hatte der Bund sogar versprochen, die meisten S-Bahn-Verbindungen, die durch den Bau der Mauer 1961 unterbrochen worden waren, auf seine Kosten wiederherstellen zu lassen. Und nach Falkensee fuhr die S-Bahn seit 1951. Damals hatte die Reichsbahn an den Gleisen der Fernbahn Stromschienen für die S-Bahn angebracht; Fern- und S-Bahn waren auf den gleichen Gleisen unterwegs. Heute ist der Bau eines eigenen Gleises für die S-Bahn erforderlich, weil sich die unterschiedlichen Stromsysteme bei der Fern- und S-Bahn nicht „vertragen“. Die Trasse für ein weiteres Gleis nur für die S-Bahn ist weitgehend vorhanden. Die Kosten für den Bau sind mit 45,6 Millionen Euro veranschlagt.

Die ideale Lösung wäre es, die S-Bahn zu bauen und den Regionalverkehr im bisherigen Umfang zu erhalten. Diesen Doppelverkehr wollen aber weder Berlin noch Brandenburg finanzieren. Nach Ansicht des Berliner Fahrgastverbandes IGEB werden die Havelländer hier erheblich benachteiligt. Doppelangebote mit Regionalzügen und S-Bahnen nebeneinander gebe es auch auf den Strecken von Bernau, Erkner, Königs Wusterhausen, Blankenfelde und auch Potsdam Richtung Berlin, sagte der IGEB-Vorsitzende Christfried Tschepe. Sollten Brandenburg und der Bund beim S-Bahn-Bau nicht mitziehen, müsse Berlin wenigstens den Abschnitt von Spandau bis Albrechtshof bauen, forderte Tschepe. Hier gebe es für die Fahrgäste nur Vorteile, wie die Studie zeige. Die Gutachter wollen die Untersuchung am kommenden Montag in Potsdam vorstellen.

Nicht voran kommen bisher auch die Pläne von Kommunen und Initiativen, die S-Bahn – wie vor dem Mauerbau – nach Velten im Norden und Rangsdorf im Süden Berlins fahren zu lassen. Auch hier verlangen Brandenburg und der Bund positive Kosten-Nutzen-Untersuchungen. Weil Brandenburg nicht bereit war, Geld für Studien auszugeben, erteilte die Gemeinde Velten auf eigene Rechnung den Auftrag für eine solche Untersuchung. Sie ist noch nicht abgeschlossen.

Das Infrastrukturministerium in Potsdam hält auch bei diesen Kommunen einen Wiederanschluss ans S-Bahn-Netz für überflüssig. Das heutige Angebot mit Regionalzügen reiche aus, heißt es.

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