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Die ehemalige Papierfabrik in der Herzbergstraße. 

© Sven Boeck

Erster Kinofilm über jüdische Lyrikerin Gertrud Kolmar: Liebe in der Pappfabrik

Gertrud Kolmar musste 1941 Zwangsarbeit in Berlin leisten, bevor sie nach Auschwitz deportiert wurde. Der Film "Herzbergmaschine" beschäftigt sich mit dieser Zeit der Dichterin. 

Der in diesem Jahr erschienene Dokumentarfilm „Herzbergmaschine“ des Regisseurs Sven Boeck beschäftigt sich mit der jüdischen Lyrikerin Gertrud Kolmar. Sie musste 1941 im Nazi-Deutschland Zwangsarbeit leisten – in einer Kartonagenfabrik in der Herzbergstraße 127, direkt hinter dem heutigen Dong Xuan Center. 

Hier traf sie auch auf ihre letzte Liebe, wie aus Briefen an die Schwester überliefert ist. Eine leidenschaftliche, aber aussichtslose Beziehung. Kolmar wurde am 27. Februar 1943 verhaftet und am 2. März ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.

Heute befinden sich in den Hallen Winterdienste, Straßenräumungen. 2011 war Boeck dort, als die baufälligen Hallen noch leer standen. Von der Pappfabrik ist vor Ort nichts mehr zu sehen. Das Pappmaschee und die Wellpappe, die dort hauptsächlich hergestellt wurde, wurde nach der Wiedervereinigung nach Osteuropa verkauft.

Kolmar, von deren Werk zu Lebzeiten relativ wenig erschien, gilt heute als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts, sie ist eine Cousine von Walter Benjamin.

„Herzbergmaschine“ beschäftigt sich zum ersten Mal intensiv mit der Zeit der Dichterin in Lichtenberg. Bilder aus der Herzbergstraße werden verbunden mit Passagen aus ihren Werken. Hier kann der Trailer angeschaut werden. „Meinen Film stellte ich ohne Unterstützung einer Filmförderung oder eines TV-Senders her“, erzählt Regisseur Boeck dem Tagesspiegel am Telefon. „Vielleicht entstand durch den dadurch bedingten Minimalismus der Mittel eine gewisse Sprödheit der filmischen Erzählung, ich fand sie angemessen.“

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Das Medienboard Berlin-Brandenburg hat das Vorhaben als nicht förderungswürdig eingestuft, wie mir Boeck weiter erzählt. In der Rubrik „Low Budget Film“ fand sein Film keinen Platz. Gut, dass Boeck den Film trotzdem umgesetzt hat und so der erste Kinofilm über Kolmar entstanden ist. Neben dem Film (76 Min.) gibt es zwei Episoden mit je ca. 30 Minuten zu Verwandten von Kolmar. Denn Boeck hat eine Nichte in Brasilien ausfindig machen können.

Der Film läuft seit Anfang des Jahres in ausgewählten Kinos und am 9. März um 19.30 Uhr erstmalig in Lichtenberg im Kulturhaus Karlshorst, Treskowallee 112.

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