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Berlin: "Lehrer müssen besser zusammenarbeiten"

Die SPD hatte angekündigt, bei der Bildung nicht zu sparen. Dennoch hat sie durchgesetzt, dass die Zuschüsse für die Privatschulen um mehrere Millionen Mark gekürzt werden.

Die SPD hatte angekündigt, bei der Bildung nicht zu sparen. Dennoch hat sie durchgesetzt, dass die Zuschüsse für die Privatschulen um mehrere Millionen Mark gekürzt werden. Gehören Privatschulen nicht zum Bildungssektor?

Die Schulen in freier Trägerschaft sind ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft. Aber angesichts der Sparzwänge von 400 Millionen Euro allein 2002 gibt es keinen anderen Weg.

Einige Träger können die Zuschusskürzung wohl nur durch eine Erhöhung der Elternbeiträge kompensieren. Dadurch werden diese Schulen zunehmend zur Eliteveranstaltung für Besserverdienende. Wollen Sie das?

Nein. Aber in Berlin ist das doch so: Wann immer irgendwas geändert wird und eigene Anstrengungen nötig sind, wird sofort gesagt: Jetzt kommt das Aus. Das ist einfach nicht berechtigt.

Aber es ist doch kontraproduktiv, bei den Privatschulen zu sparen, die mindestens 20 Prozent billiger sind als öffentliche, weil das Land für Gebäude- und Verwaltungskosten nicht aufkommen muss.

Also, das mit den 20 Prozent ist eine behauptete Zahl. Wir geben ja nicht nur Zuschüsse zu den Personalkosten, sondern mitunter auch für Baumaßnahmen.

Freut es sie als Sozialdemokrat, dass die Pisa-Studie Staaten mit Gesamtschulsystemen ein gutes Zeugnis ausstellt.

Ja. Ein Land wie Finnland, das ja ein Gesamtschulsytem hat, hat bei Pisa hervorragend abgeschnitten. Allerdings warne ich vor einer verbissenen Schulstrukturdebatte. Wir müssen andere Schwerpunkte setzen: Ganztagsgrundschulen ausbauen, Migrantenkinder besser fördern, die Lehrerausbildung reformieren und auf Qualität setzen. Und wir müssen im Primar- und Grundschulbereich besser werden. Das hat Pisa gezeigt.

Was bedeutet das genau?

Kindergarten und Vorschule sind nicht nur Betreuungs-, sondern auch Bildungseinrichtungen. Wir müssen Kindern schon im frühen Alter bestimmte Grundfertigkeiten vermitteln. Es ist verblüffend, dass wir in Deutschland diskutieren, ob Langzeitstudenten Studiengebühren zahlen müssen, aber klaglos hinnehmen, dass man für den Kindergarten zahlen muss.

Streichen Sie doch die Kitagebühren.

Das würde ich gern, leider ist das nicht finanzierbar. Ich bin aber froh, dass fast jedes Kind in einen Kindergarten oder in die Vorschule geht. Im übrigen müssen wir die Erzieherausbildung reformieren.

Gibt es irgendwelche Vorstellungen, wann das passiert und wer sich darum kümmert?

Der Prozess läuft bereits. Berlin hat einen Modellversuch zur Reform der Erzieherausbildung angeregt. Und es gibt insbesondere im Pestalozzi-Fröbel-Haus hervorragende Konzeptionen. Wir sind nicht mehr auf dem Stande Null! Die große Gefahr ist aber, dass aus der Qualifizierung der Erzieherausbildung ein Besoldungsschwung abgeleitet wird. Das kann niemand bezahlen. Pisa gibt uns allen die Aufgabe, mehr zu tun und bereit zu sein, die eigene Arbeit einer Qualitätskontrolle zu unterziehen.

Wie kann das gehen?

Dazu gehört, dass an der einzelnen Schule auch mal ein Klima da ist, zu fragen: "Kollegin, was erreichen sie, was erreiche ich?". Lehrer müssen besser zusammenarbeiten. Das wäre ein richtiger Durchbruch und fastdas Wichtigste. Im übrigen: Die Fachbereichsleiter sind mal eingeführt worden, damit sie die fachliche, methodische und didaktische Kompetenz verbessern.

Was bedeutet denn Pisa für die Berliner Diskussion um zusätzliche Gymnasialplätze ab der fünften Klasse?

Pisa zeigt, dass die frühe Aufteilung in Schulformen nicht der Königsweg ist. Die sechsjährige Grundschule hat sich ja auch durchaus bewährt. Aber ich warne davor, die Ergebnisse der Pisa-Studie in diesem Punkt überzubewerten. Denn für Berlin haben nur acht Schulen teilgenommen. Aber 93 Berliner Schulen haben zur nationalen Stichprobe beigetragen, deren Ergebnisse im Herbst vorliegen. Da bekommen wir viel tiefere Einblicke in die Qualität.

Aber schon jetzt macht Pisa doch deutlich, dass die Verteilung der Kinder auch nach der 6. Klasse die Leistungsfähigkeit nicht unbedingt fördert.

So einfach kann man das aus Pisa nicht ableiten, denn es gibt Länder mit gegliedertem System, wie etwa Österreich, die bessere Ergebnisse erzielt haben als wir. Richtig ist natürlich, dass man sich Länder, die so gut abgeschnitten haben wir etwa Finnland und ein Gesamtschulsystem haben, genauer ansehen muss. Dass wir jetzt aber alle Gymnasien zumachen müssen, das gibt die Pisa-Studie ganz gewiss nicht her. Wahrscheinlich ist es wohl so, dass Mischstrukturen von gliedertem Schulsystem und Gesamtschulen wie in Berlin, sicher nicht ideal sind. Aber eine neue dogmatische Debatte wie in den siebziger Jahren will ich nicht haben.

Schulleiter bekommen viele neue Aufgaben. Sie sollen selbst Vertretungslehrer organisieren, um schnell Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Sind sie für ihre neuen Aufgaben gewappnet?

Wir werden die Schulleiter qualifizieren, damit sie mit der so genannten Personalkostenbudgetierung umgehen können.

Aber die Schulleiter sollen auch mehr auf die Qualität des Unterrichts achten, die Eigenverantwortung der Schulen vorantreiben, Lehr- und Lernmittel selbst verwalten. Keiner fragt, ob die das auch können.

Viele können das. Berlin hat viele hervorragende Schulleiter, aber natürlich auch weniger hervorragende, die man aber nicht einfach entlassen kann. Aber ich kann das Besetzungsverfahren ändern. Es ist jetzt zu lang und kompliziert. Außerdem werden die Schulleiter nach dem Verwaltungsreformgesetz nur auf fünf Jahr berufen.

Das hilft den Schulen doch jetzt nicht. Viele müssen mit schwachen Schulleitern jetzt sozusagen in die neue Zeit gehen und Reformen umsetzen. Lehrer erzählen von unerträglichen Zuständen an manchen Schulen mit völlig hilflosen Schulleitern.

Wenn das so ist, dann gibt das Beamtenrecht die Möglichkeit, jemanden, der seine Arbeit nicht erfüllen kann, von der Aufgabe zu entbinden. Das ist schwierig, aber es geht.

Mit der PDS in der Regierung wird es bestimmt nicht einfacher, die bekannten Anfälle von DDR-Nostalgie in einigen Schulen zu heilen. Gibt es etwas, was sie konkret tun, um die Ost-West-Problematik und diese immer noch beobachteten Beispiele von Demokratiedefiziten anzugehen?

Bitte keine Pauschalurteile. Natürlich gibt es das. Wir brauchen vor allem ein offenes und tolerantes Klima an den Schulen. Es ist ein Prozess nötig, den wir angehen.

Können Sie nicht etwa alle Lehrer für Politische Weltkunde und Geschichte für eine Zeit zwischen Ost und West austauschen?

Nein, das geht nicht. Versetzungen aus solchen Gründen gibt das Dienstrecht der Lehrer aber nicht her. Aber ich will zusammen mit Schulen in Ost und West lebendige Schulpartnerschaften auf den Weg bringen, bis hin zu der Idee, dass man auf freiwilliger Basis auch mal Unterrichtseinheiten an verschiedenen Orten gibt. Damit wir uns besser kennen lernen mit unseren Urteilen und Vorurteilen. Und ein Klima haben, in dem man frei diskutieren und lernen kann.

Die SPD hatte angekündigt[bei der Bildung ni]

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