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Tempelhof

© Mike Wolff

Tempelhof-Serie: Landebahn frei für neue Ideen

Nur noch 30 Tage bis zur Schließung des Flughafens Tempelhof. Danach wird das Flugfeld zum städtebaulichen Versuchslabor. Wir begleiten den Countdown für Tempelhof mit einer Serie.

Wenn der Hausmeister am 30. Oktober gegen Mitternacht die Haupthalle abschließt, öffnet sich für die Stadtentwicklungsverwaltung ein riesiges Aufgabenspektrum. Denn die Zukunft des Flugfeldes zu planen, die Integration der neuen Baufelder in die bestehende Stadt zu garantieren, ist der wohl anspruchsvollste Job, den die Behörde von Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) derzeit zu vergeben hat. Um die Dimensionen zu begreifen, hilft ein Größenvergleich: Vom Fernsehturm bis knapp vors Brandenburger Tor würden die Rollbahnen reichen, wenn sie nicht in Tempelhof, sondern in Mitte lägen. So groß wie die Leere auf dem Flugfeld nach dem letzten Start einer Maschine sind auch die Erwartungen an das, was nun kommt.

Die Verwaltung, angeführt von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, hat sich entschieden, diesen Erwartungen mit einer möglichst breit angelegten Diskussion zu begegnen. Statt fertige Konzepte vorzulegen, wie es ihr Vorgänger Hans Stimmann mit einiger Sicherheit getan hätte, ruft sie zu einem Ideenwettbewerb auf, wie die Zukunft des traditionsreichen Flughafens aussehen könnte, und sucht sich dann die interessantesten und vielversprechendsten Vorschläge aus.

Ein riskantes Unterfangen, denn Tempelhof ist nicht irgendein Rübenacker, sondern ein Mythos. Jeden Monat, der ereignislos verstreicht, und jeder Vandalismusschaden an den denkmalgeschützten Gebäuden werden Opposition und Unterstützer des gescheiterten Volksbegehrens für die Erhaltung des Flughafens nutzen, um an den Plänen für die Nachnutzung in Tempelhof kein gutes Haar zu lassen.

Darüber hinaus sind die Voraussetzungen dafür, dass aus dem eingezäunten Gelände ruckzuck blühende Landschaften mit begehrten Wohnvierteln werden, alles andere als günstig. Der Nachwendeboom ist lange vorbei und durch die internationale Finanzkrise wird die Entwicklung von Tempelhof nicht gerade beschleunigt. Das weiß die Verwaltung und geht davon aus, dass die Planer einen langen bis sehr langen Atem brauchen werden, ehe ihre Ideen umgesetzt werden.

Regula Lüscher sieht aber mehr Chancen als Risiken in der Entwicklung. In drei Blöcke lassen sich ihre Strategien für Tempelhof einteilen. Da ist zunächst der Ideenwettbewerb, der schon läuft. Dann hat sie einen städtebaulichen Wettbewerb für das Columbia-Quartier am nördlichen Flugfeldrand gestartet. Hier sollen alleine 1500 Wohnungen entstehen. Und drittens wünscht sich Lüscher eine Internationale Bauausstellung (IBA), eventuell kombiniert mit einer Internationalen Gartenausstellung (IGA), die ab 2010 in Tempelhof Antworten auf ganz grundsätzliche stadtentwicklungspolitische Fragen finden sollen. Etwa: Wie bauen wir eine Stadt, in der viele Ethnien friedlich miteinander leben können? Wie sehen Wohnungen für Regenbogenfamilien oder Mehrgenerationen-WGs aus? Und: Wie können Häuser dem drohenden Energiekollaps begegnen?

Lösungen dafür könnte die IBA liefern, wie es sie zuletzt in den 80er Jahren in Berlin gab. Damals wurde die Reparatur von Stadtvierteln ausprobiert, die noch die Folgen von Krieg und Teilung der Stadt zeigten. Stadtplaner und Architekten zeigten, was „geschlossene Blockränder“ bedeuten und wie sie sich eine „kritische Rekonstruktion“ vorstellen – beides Schlagworte, die für das Planwerk Innenstadt nach der Wende maßgebend wurden und zur planerischen Richtlinie für die gesamte Innenstadt avancierten.

In Tempelhof soll aber die neue Stadt ausprobiert werden. Mit viel Wohnen und viel Grün. Die einzige Vorgabe, die die Verwaltung macht, sind die maximalen Größen der geplanten Baufelder, und wie sie am Ende genutzt werden könnten. Alles andere ist zunächst einmal den Ideen und der Kreativität von Planern und Investoren überlassen. Bis zum 5. Januar sammelt die Behörde Vorschläge. Dann, spätestens, ist eine erste Bilanz fällig. Nicht nur über die eingereichten Ideen und ihre Tragfähigkeit. Sondern auch, ob es bei dem eingeschlagenen Planungsweg der Verwaltung bleiben wird für das städtebauliche Versuchslabor Tempelhof. Matthias Oloew

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