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Rainald Grebe: „Die Kapelle lebt!“.

© picture alliance/dpa/another dimension

Lachen und Weinen zugleich: Rainald Grebe macht weiter

Trotz schwerer Krankheit steht Rainald Grebe unbeirrbar auf der Bühne. Am Dienstag steht die Weihnachtspremiere seines neuen Programms in Kreuzberg an.

Von Jan Schroeder

„Januar im Jahr 2045, 24 Grad im Schatten“: Musiker Rainald Grebe sieht sich auf der Terrasse eines Altenheims in Brandenburg sitzen. Dieser persönliche Blick in die Zukunft aus Grebes literarisch gehaltener, halb-fiktionaler Autobiografie „Rheinland Grapefruit“ ist sonnig, aber das Ganze hat einen Beigeschmack. Nicht nur, weil in einem solchen Szenario Holland und vielleicht auch Grebes Geburtsort Frechen bei Köln in Folge der Erderwärmung von der Nordsee geschluckt sein würde, sondern auch weil Grebes gesundheitliche Aussichten schlecht sind. 

Seit 2014 leidet der Künstler an einer Autoimmunerkrankung, die sich Vaskulitis nennt, bisher nicht heilbar ist und bei ihm in unabsehbaren Abständen Schlaganfälle verursacht. In den vergangenen Jahren hatte er davon schon elf.

Grebe, der in seinen Liedern wie „Brandenburg“ und „30-jährige Pärchen“ oftmals als ironischer Chronist des Zeitgeists wirkt, akzeptiert das Label „Patient“, das seitdem wie auf seine Stirn geschrieben stehe, verständlicherweise nur widerwillig. Vor einigen Monaten, nach seinem letzten Schlaganfall im Januar, sei er noch mit Rollator durch die Flure eine Reha-Anstalt geschlurft. 

„Es ist eigentlich erstaunlich, dass ich hier sitzen und was reden kann“, sagt Grebe im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Nun steht der Pianist, Kabarettist, Hörbuchautor, studierte Puppenspieler und Schriftsteller am Dienstag wieder zusammen mit seiner Band, der Kapelle der Versöhnung, auf der Bühne im SO36 in Kreuzberg. Nachdem im vergangenen Jahr der Trommler der Band, Martin Bauer, verstorben ist, findet die diesjährige Weihnachtspremiere unter dem auch für Grebes Situation passenden Titel „Die Kapelle lebt!“ statt. „Auswendig lernen, schreiben, singen - das geht noch gut“, sagt Grebe. 

Und auch im neuen Jahr will der 51-Jährige so weitermachen wie bisher. Geplant ist unter anderem wieder ein großes Konzert in der Waldbühne in Charlottenburg. Grebe will weiter auftreten, mit seiner Band spielen, das Naturschutzgebiet in Brandenburg genießen und das Leben in Prenzlauer Berg. Alles sei nur etwas gedämpfter, die Höhen und Tiefen flacher. Er brauche diesen Alltag, bei dem es vor den Auftritten Brötchen gebe und Backstage danach kalten Nudelsalat. Und auch der Satz mit dem Altenheim in der Zukunft ist der typische Humor von Grebe - man könnte lachen oder weinen oder eben beides zugleich. Er bleibt sich treu und versteht das auch ein bisschen als Überlebensstrategie, wie er erzählt. Für ihn sei schon der erste Song eines jeden Konzerts eine Zugabe.

Weder die Krankheit, noch die für Künstler ohnehin besonders schwierigen Lockdowns unterbrachen seine Produktivität. So nahm Grebe mitten in der Pandemie sein erstes Hörbuch über Hans Fallada auf, und seine Autobiografie, die beim Independent-Verlag Voland & Quist erschienen ist, entstand während seines Aufenthalts in der Reha. Grebe will nicht aufhören, noch nicht jedenfalls. „Solange wie es geht, mache ich weiter“, sagt er.

Die Hoffnung gibt er sowieso nicht auf, denn vielleicht erlebt er das ja noch, das Jahr 2045. Auch wenn der Nordseestrand dann womöglich an der Havel beginnt. 

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